Der Rezensent

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bieling lehrt Politik­wissenschaft, vor allem Politische Ökonomie, an der Universität Tübingen.

Bücher zum Thema: Globale Infrastrukturen

Infrastrukturen – essenziell, kritisch und globalisierungsrelevant
Infrastrukturen sind in den letzten Jahren wiederholt und vermehrt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Dies ist zum einen dem Sachverhalt geschuldet, dass die Verfügbarkeit zuverlässiger Infrastrukturen oft als nicht hinreichend gesichert erscheint. Infrastrukturen werden als „kritisch“ wahrgenommen, wenn Störungen unterschiedlichster Art – von einer defizitären Wartung über Unglücksfälle, Terroranschläge, Krieg oder die Covid-19-Pandemie – essenzielle gesellschaftliche Praktiken und Routinen unterbrechen und in Frage stellen. Zum anderen rufen solche Situationen ins Bewusstsein, welch zentrale Rolle Infrastrukturen, etwa die Systeme der Mobilität, der Energieversorgung oder der Kommunikation, für die Organisation und Funktionsweise der Ökonomie und des Alltags haben, zumal mit ihnen wichtige Weichenstellungen für die mittel- bis langfristige gesellschaftliche Entwicklung getroffen werden. 

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und Wahrnehmungen ist in einigen Fächern, etwa der Geographie, der Anthropologie oder der Geschichtswissenschaft, ein „infrastructural turn“ zu beobachten. So werden Infrastrukturen als prägende Komponenten der gesellschaftlichen und internationalen Entwicklung deutlich aufgewertet. Mitunter fungieren sie sogar als Fluchtpunkt spezifischer analytischer Konzeptionen. Welche Aspekte dadurch in den Vordergrund treten, zeigen die nachfolgend besprochenen Publikationen. 

  • Dirk van Laak: Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft. S. Fischer: Frankfurt/M. 2018, 366 Seiten 

 Will man Infrastrukturen verstehen, ist eine geschichtliche Perspektive unverzichtbar. Warum dies so ist, hat der Historiker Dirk van Laak bereits in zahlreichen Überblicksartikeln dargelegt. In der Studie „Alles im Fluss“ werden diese Überlegungen sowohl konzeptionell als auch empirisch systematisch entfaltet. Die Ausführungen beginnen mit einer etwas längeren, konzeptionell angelegten Einleitung. In dieser legt van Laak dar, worum es sich bei Infrastrukturen handelt: um die materiellen Substrate spezifischer Muster der Moderne, die eine hohe soziale und kulturelle Prägekraft haben. Mit Infrastrukturen sind jeweils besondere Routinen, Verhaltensstandards und Erwartungen verbunden, die den fluiden gesellschaftlichen Praktiken eine gewisse Stabilität geben. Die Genese von Infrastrukturen folgt dabei keinem Masterplan, sondern realisiert sich kumulativ, d. h. gestützt auf diverse Schübe der soziotechnischen Vernetzung. Wenngleich es bereits in früheren…

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