Die Autorin

Prof. Dr. Britta Kuhn lehrt Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt International Economics an der Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain.

Chinas dynamisches Jahrhundertprojekt

Die „Neue Seidenstraße“, Xi Jinpings weltumspannendes Infrastruktur- und Konnektivitätsprojekt, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Manch ein Bauvorhaben erweist sich inzwischen als unrentabel oder unpopulär. Chinesische Kredite sind für viele Empfänger auch nicht länger alternativlos. Was tut die Volksrepublik, um ihre Initiative auf Erfolgskurs zu halten?


Weltumspannende Investitionen
Schon seit 2013 entstehen unter chinesischer Führung neue Straßen, Schienennetze, Häfen und Rohstoffpipelines, die Ost-China mit Westeuropa verbinden, Afrika erschließen und bis nach Lateinamerika reichen. Inzwischen gibt es eine reichhaltige wissenschaftliche Literatur zu allen Facetten dieses Megaprojekts. Die Erkenntnisse der Vor-Corona-Jahre (Kuhn 2019) unterscheiden sich dabei im Einzelnen deutlich von den Forschungsergebnissen der jüngeren Zeit (Kuhn 2021). Denn nicht nur China hat seine Investitionen dynamisch angepasst und weiterentwickelt. Auch die USA und ihre Partnerländer reagieren zunehmend. Ein Gesamtüberblick von den Anfängen bis heute:

Offiziell heißt das Vorhaben OBOR – „One Belt One Road“ oder, inzwischen gebräuchlicher, BRI – „Belt and Road Initiative“. Der „Gürtel“ umfasst die Landwege, die auch als Wirtschaftskorridore bezeichnet werden. Die „Straße“ steht für diverse Seeverbindungen. Eingebürgert hat sich der handlichere Begriff „(Neue) Seidenstraße“, zumal die Parallelen zur historischen Seidenstraße kaum zu übersehen sind. Abbildung 1 zeigt einen wichtigen Ausschnitt der BRI, der sich auf Eurasien konzentriert. Die Karte unterscheidet allein sieben Landwege. Die tatsächliche Vielfalt der Beziehungsnetze, vor allem zur See, in Afrika und gegenüber Lateinamerika, kann diese Darstellung zwecks Übersichtlichkeit nur andeuten. Vor allem in Afrika südlich der Sahara kommen zahllose Projekte hinzu. Schon 2019 bauten, betrieben und/oder finanzierten dort chinesische Stellen zum Beispiel 46 Häfen (Devermont/Cheatham/Chiang 2019).

Neben klassischen Transport- und Energieprojekten fallen unter das Seidenstraßen-Label inzwischen viele weitere chinesische Konnektivitätsmaßnahmen, beispielsweise die „Digital Silk Road“ oder die „Health Silk Road“. Allen ist gemeinsam, dass die chinesischen Geldgeber eher klassische Kredite vergeben als Entwicklungshilfe zu leisten oder ausländische Direkt­investitionen zu tätigen. Dennoch ist im Einzelnen nicht immer klar, was zur Seidenstraße gehört. Entsprechend undurchsichtig erscheint das bisherige Gesamtvolumen der Initiative. Je nach Quelle, einbezogenen Ländern und Investitionsvorhaben reichen die Schätzungen von unter 600 Mrd. US-Dollar bis über 2,3 Bio. US-Dollar. Die transparenteste und detaillierteste Datenbasis errechnet rund 838 Mrd. US-Dollar Gesamtinvestitionen in 115 Ländern bis Ende 2021 (Abbildung 2). Sie listet jedes Einzelprojekt seit 2013 auf, wird jeweils im Januar und Juli eines Jahres…

Weiterlesen mit POLITIKUM+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus Politikum im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Politikum-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Politikum+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben Politikum bereits abonniert?
Jetzt anmelden

Im Abonnement kein Heft verpassen

Ein Beitrag aus