Der Rezensent

Dr. Joel B. Münch, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Das besondere Buch 1/2022

  • Anthony B. Atkinson: Ungleichheit – Was wir dagegen tun können. Klett-Cotta: Stuttgart, 2. Aufl. 2016, 475 S.

Mit „Ungleichheit – Was wir dagegen tun können“ greift Anthony B. Atkinson in seinem 2016, ein Jahr vor seinem Tod, in zweiter Auflage bei Klett-Cotta erschienenen Werk ein Thema auf, das gerade vor dem Hintergrund der Pandemie und der Klimakrise dramatische Aktualität erfährt. 

Atkinson machte seine ersten Berufserfahrungen als Krankenpfleger in einem Armenviertel in Hamburg. Diese Lebenserfahrung prägte auch seine wissenschaftliche Tätigkeit. Als Professor für Wirtschaft, zuletzt an der London School of Economics, befasste er sich insbesondere mit Einkommensverteilung und sozialer Ungleichheit. 

Schon in der Einleitung führt Atkinson den Leser nicht nur in die klare und aus sich heraus überzeugende Gliederung seines Werkes, sondern auch sofort in die Thematik ein. Bemerkenswert sind bereits seine Ausführungen, wonach die historische Einkommensverteilung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Siebzigerjahre hinein deutlich ausgeglichener war als heute. Ausgehend von der Feststellung, dass Fortschritt keine Naturgewalt, sondern Ausdruck gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entscheidungen ist, analysiert Atkinson in Teil I seines Buches – „Diagnose“ – die Ursachen der Ungleichheit, aus denen er in Teil II Handlungsvorschläge ableitet, die er in Teil III schließlich prüfend kritischen Einwendungen gegenüberstellt. 

Gleich zu Beginn arbeitet Atkinson die Unterschiede zwischen Chancenungleichheit und Ergebnisungleichheit heraus und analysiert die kompetitiven und nichtkompetitiven Aspekte der Chancengleichheit, die letztlich nur durch eine Preisstruktur nachhaltig bestimmt werden können. Wegen der erheblichen Nachteile der Ergebnisungleichheit auf die moderne Gesellschaft, die wir uns gerade auch im Hinblick auf Pandemie und Klimakrise nicht mehr leisten können, bedarf es besonderer Anstrengungen, diese zunehmende Ungleichheit zu überwinden. Der bisherige Ansatz des Utilitarismus und der Verteilungsgewichtung alleine reicht nach Atkinson heute nicht mehr aus. 

Vor dem Hintergrund der bemerkenswerten Verschärfung der Gesamtungleichheit erstaunt seine fast beiläufige Randnotiz, dass Verteilungsfragen für Ökonomen nicht von zentralem Interesse sind. Dabei geht es nicht nur um Armutsbekämpfung, sondern um die Betrachtung der Gesellschaft als Ganzes und ihrer wichtigsten Wechselbeziehungen. Atkinson lässt keinen Zweifel daran, dass es nicht zuletzt seit Adam Smith leistungsbezogene Rechtfertigungen für Einkommensunterschiede gibt. Die heutigen Unterschiede sind hiervon jedoch offensichtlich entkoppelt.

Atkinson plädiert in seiner Analyse dafür, nicht nur Haushaltseinkommen-basierte Untersuchungen vorzunehmen, sondern die Summe aller Ressourcen…

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