Die Autorin

Carola Thielecke, Leiterin des Justiziariats der Stiftung Preußi­scher Kulturbesitz, Mitautorin d. Leitfadens des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Der Beitrag beruht auf einer Zusammenarbeit mit Michael Geißdorf, Staatliche Kunstsammlungen Dresden.

Gibt es Rechtsansprüche auf die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten?

Die Rückgabe von Kulturgütern ist eine Aufgabe, die nicht durch die Gerichte erledigt werden kann, sondern nur durch die Politik.

Nachdem über viele Jahre die Kolonialzeit und insbesondere die deutsche Kolonialpolitik im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit nur wenig verankert war, ist seit einiger Zeit eine rege Diskussion darum entbrannt, wie mit diesem dunklen Erbe umzugehen ist. Einen Kristallisationspunkt in der Debatte bilden Kulturgüter in deutschen Museen, die in kolonialen Kontexten aus ihren Herkunftsländern nach Deutschland gelangten, und die Frage, ob diese Kulturgüter zurückgegeben werden sollten. Dabei wird oft über die „Rechtmäßigkeit“ von Besitzverhältnissen diskutiert und es entsteht der Eindruck, dass diese auf juristischem Wege geklärt werden könnte. Doch existieren nach deutschem oder internationalem Recht überhaupt gerichtlich klagbare Ansprüche, mit der die Rückgabe von Kulturgut aus deutschen Sammlungen erwirkt werden könnte?

Vorab sei bemerkt, dass von kritischen Juristen berechtigterweise darauf hingewiesen wird, dass insbesondere das aktuelle internationale Recht, aber auch das Recht der meisten ehemaligen Kolonien, seine Wurzeln in europäischen, christlichen Rechtsordnungen hat und andere Rechtstraditionen darin kaum Niederschlag gefunden haben. Es ist auch postuliert worden, dass das internationale Recht sich gerade durch den Kolonialismus so entwickelt habe, wie wir es heute vorfinden. Deshalb seien koloniale und imperiale Strukturen dem Völkerrecht immanent. Dies führe dazu, dass das internationale Recht koloniale Asymmetrien nicht nur aufrechterhalte, sondern auch reproduziere und die Durchsetzung beispielsweise von Reparationsleistungen erschwere. In diesem Zusammenhang wird auch die Wertneutralität und Universalität der Menschenrechte in Frage gestellt. So argumentieren unter anderem Antony Anghie oder Makau W. Mutua, die der informellen Gruppe Third World Approaches to International Law (TWAIL) angehören, dass zum Beispiel die der westlichen Tradition wesentliche Garantie des Privateigentums dazu beitrage, dass eine Eigentumszuordnung aufrechterhalten bleibe, die in der Kolonialzeit geschaffen worden sei und die Bewohner der Nordhalbkugel privilegiere.

Obwohl diese Beobachtungen sicher in vieler Hinsicht zutreffen und bedenkenswert sind, haben sie bisher nicht dazu geführt, dass eine wesentliche Änderung in der Rechtssetzung oder der Rechtsanwendung stattgefunden hat. Vielmehr handelt es sich um Stimmen, die in der internationalen Jurisprudenz nach wie vor eine Minderheit bilden und fast ausschließlich in der Rechtswissenschaft, nicht aber in der Rechtspraxis verortet sind. Der folgende Überblick orientiert sich an der heutigen Rechtspraxis und der mehrheitlichen Sicht der Rechtswissenschaft.

Rückgabeansprüche nach deutschem Recht?
Nach dem international anerkannten Grundsatz der „lex rei sitae“…

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