Der Autor

Dr. des. Joscha Abels ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen. Er forscht zur politischen Ökonomie der EU und zu Infrastrukturpolitik.

Globaler Wettbewerb um ­Infrastrukturen: ­ Eine neue Form der Geopolitik?

Mit Namen wie Neue Seidenstraße, Build Back Better World oder Global Gateway kündigen die Großmächte großangelegte Infrastrukturprojekte an. Diese sollen die eigene wirtschaftliche Position stärken und den Globus weiter vernetzen. Hinter der kosmopolitischen Rhetorik stehen jedoch oft kaum verschleierte geopolitische Absichten, die eher auf eigene Kontrollmacht als auf beidseitigen Nutzen abzielen. Es ist höchste Zeit, den globalen Wettbewerb um Einfluss und Profit in Begriffen von Infrastrukturpolitik zu diskutieren.


Warum wir wieder von Infrastrukturen sprechen
Die Art und Weise, wie wir Alltag und Produktion organisieren, wie wir arbeiten, reisen und kommunizieren, ist maßgeblich von einer stetigen Erweiterung und Modernisierung von Infrastrukturen abhängig. Der Historiker Dirk van Laak bezeichnet sie deshalb als „Lebensadern unserer Gesellschaft“ (van Laak 2018). Die Bedeutung von Infrastrukturen ist keineswegs eine Erkenntnis der Moderne. In der Antike umspannte das Straßennetz des Römischen Reichs einen großen Teil des europäischen Kontinents und vereinfachte dort Handelsbeziehungen und militärische Kontrolle. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes im 19. Jahrhundert beschleunigte den Transport von Gütern und Personen und diente als Katalysator der industriellen Revolution. Tatsächlich ist der Begriff „Infrastruktur“ in seiner heutigen Form jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt worden. In diesem jüngeren Verständnis garantieren Investitionen in Infrastruktur das Funktionieren der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung. Allerdings bleiben die infrastrukturellen Systeme in unserem Alltag oft unsichtbar. Allein der Begriff „Infrastruktur“, aus dem Lateinischen in etwa mit „Unterbau“ übersetzt, kommt unpolitisch daher und suggeriert, dass es sich um eine vorgegebene Basis handelt, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist. Dabei sind infra­strukturelle Systeme – Transportwege, Stromnetze, Datenkommunikation, Wasser- und Energieversorgung, Finanztransaktionen – historisch gewachsen und müssen stets gesellschaftlich neu gestaltet werden.

Einige Großereignisse haben die Bedeutung von Infrastrukturen für unsere globale Ordnung wieder ins Gedächtnis gerufen und ihre Verwundbarkeit unterstrichen. Im März 2021 führte die Blockade des Suezkanals durch das von einer taiwanesischen Reederei betriebene Containerschiff Ever Given der Welt ihre technische Anfälligkeit vor Augen. Die sechstägige Störung des Knotenpunktes hatte monatelange Auswirkungen auf globale Lieferketten und somit Verbraucher*innen und Industrie. Der Schaden durch den Transportausfall belief sich auf schätzungsweise 9 Milliarden US-Dollar pro Tag der Blockade. 

Jedoch sind Infrastrukturen nicht nur technisch vulnerabel, sondern auch politisch umkämpft. Die USA und China befinden sich seit 2019 in einem Wettstreit um die Entwicklung und den Betrieb von Technik, die mit…

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