Der Autor

Dr. Hans-Peter Bartels ist Publizist und Präsident der „Gesellschaft für Sicherheitspolitik“. Er war seit 1998 Abgeordneter im Deutschen Bundestag und von 2015–2020 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags.

Verteidigen als Leitmotiv: Was die Bundeswehr braucht

Mit Russlands Überfall auf die Ukraine tritt die Aufgabe „kollektive Verteidigung“ in den Vordergrund. Diese grundlegende Veränderung in Lage und Auftrag erfordert zwingend Strukturreformen der Bundeswehr. Dabei können Fehler der Vergangenheit korrigiert werden. Zu lernen wäre aus den vorangegangenen Bundeswehrreformen, dass eine disruptive „Von-Grund-auf“-Veränderungsrhetorik wenig zur Problemlösung, aber manches zur Verunsicherung und Verhärtung beiträgt. Fest steht: Deutschland muss verteidigungsfähig werden und seinen Beitrag zur geopolitischen Selbstbehauptung der Demokratien leisten.


„Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind“ (Scholz 2022). Dass Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 in leicht ironisierender Rhetorik ausdrücklich thematisierte, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, markierte einen verteidigungspolitischen Paradigmenwechsel, einen weiteren Abschied von der Ära Merkel. Denn wie einsatzbereit oder nicht einsatzbereit ihre Streitkräfte sein mochten, war der CDU-Kanzlerin, die im Ernstfall die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt gewesen wäre, 16 Jahre lang herzlich egal. Seit Putins Überfall auf die Ukraine ist in Deutschland Verteidigung nun aber wieder Chefsache wie zu den Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt im Kalten Krieg. Und für die Wiederherstellung der vollen militärischen Bündnisfähigkeit bemüht SPD-Kanzler Scholz einen Maßstab, der lange nicht benutzt wurde, wenn es um Deutschlands Rüstung ging: „[...] das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und Bedeutung in Europa“. Deutschland ist nach den USA, China und Japan tatsächlich die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, die zweitgrößte NATO-Nation, zweitwichtigster Beitragszahler der Vereinten Nationen und objektiv das bevölkerungsstärkste und reichste Land Europas.

Eine angemessene Rolle Deutschlands 
Jährlich zwei Prozent des deutschen Sozialprodukts für die Verteidigung auszugeben, würde Deutschland in keiner Weise überfordern. Auch drei oder vier Prozent nicht (wie die USA), wenn es denn unbedingt sein müsste. 1984 zum Beispiel betrug die BIP-Quote für die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland 3,5 Prozent – und weder war unser Land damals verarmt noch dem Militarismus anheimgefallen. Im Übrigen gab schon der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vom November 2021, etwas verklausuliert, der neuen Regierung grünes Licht für das Erreichen der im atlantischen Bündnis vereinbarten Zwei-Prozent-Quote. Der Ampel-Vertrag nennt als Ziel, drei Prozent vom BIP für „internationales Handeln“ auszugeben – eine Einigungsformel, die einmal Wolfgang Ischinger, der langjährige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, vorgeschlagen hatte (Münchner Sicherheitskonferenz 2020). Damit ließen sich Entwicklungshilfe (erforderlich:…

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