Der Autor

Dr. Uwe Optenhögel ist Vize-Präsident der Foundation for European Progressive Studies (FEPS) in Brüssel. Er ist Verleger und arbeitet als freiberuflicher Politik- und Organisationsberater. Zuvor war er u. a. als Leiter des Europa-Büros der FES in Brüssel und internationaler Direktor der Stiftung in Berlin tätig.

Wie belastbar ist die ‚unbegrenzte Freundschaft‘?

China hat den Angriff Russlands auf die Ukraine weder unterstützt noch verdammt. Dennoch ist China vermutlich der einzige Staat, der Einfluss auf Putin ausüben könnte. Peking betrachtet Russlands Krieg weniger im Hinblick auf die Entwicklungen in der Ukraine als aus der geopolitischen Perspektive einer gemeinsamen Haltung gegen den Westen und die Nato. Doch Putins Krieg kommt für China zur Unzeit, da sein eigenes Entwicklungsmodell erstmals seit Jahrzehnten von allen Seiten unter Druck steht. Zugleich zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Peking mit einem durch den Krieg geschwächten Russland besser leben kann als mit einem imperial aufgewerteten Partner, der eine gewachsene Dauerbedrohung für das internationale System darstellen würde.

Kein politischer Beobachter oder Militärexperte hätte beim Überfall am 24. Februar 2022 einen Cent darauf gewettet, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nach sieben Monaten unvermindert andauert und die vermeintlich hochüberlegene und kampferfahrene russische Armee immer noch im Donbass feststeckt, ja, dort sogar auf dem Rückzug ist – am wenigsten wahrscheinlich der russische Präsident Vladimir Putin. Wie immer der Krieg ausgeht, er hat bereits Dynamiken ausgelöst, die weitreichende globale Entwicklungen nach sich ziehen. Er verstärkt die seit der Finanzkrise vor zehn Jahren erkennbaren und durch die Corona-Pandemie beschleunigten De-Globalisierungstendenzen. Geopolitisch entstehen neue Kraftfelder und geoökonomisch zeichnet sich eine Neuaufstellung der Energie-, Produktions-, Distributions- und Finanzsysteme ab. In diesem Kontext sind Chinas internationaler Status und sein so überaus erfolgreiches Modell nachholender Entwicklung durch Russlands Krieg herausgefordert. Es wird deutlich, dass sich in einer globalisierten Welt Kriege, an denen Großmächte beteiligt sind, nicht mehr regional eingrenzen lassen.

Von all dem war bei den olympischen Spielen im Februar 2022 in Peking noch nichts zu spüren, die Welt schien in Ordnung. Wir erinnern uns an die Bilder der beiden Autokraten bei der Eröffnung der Winterspiele. Putin war der einzige internationale Staatsgast von Rang, der gekommen war. Und er wurde entsprechend hofiert. Mit nach Hause nehmen durfte er neue Handelsverträge und das Versprechen ,grenzenloser Freundschaft‘. Dennoch, vor dem Hintergrund der ungelösten Taiwanfrage, die völkerrechtlich allerdings ganz anders gelagert ist als der Donbass, war China von der wenige Tage später erfolgte Anerkennung der ‚Unabhängigen Volksrepubliken‘ Luhansk und Donezk nicht begeistert. Und den beginnenden Krieg und das ihm innewohnende Chaospotential für das internationale System und die globale Wirtschaft sah man mit großer Skepsis.

Chinas und Russlands Rückkehr in die internationale Gemeinschaft
Schließlich hatte sich das Reich der Mitte auf seinem Weg zurück in die internationale Gemeinschaft seit Jahrzehnten…

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