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Autorinnen

Prof. Dr. Ina Schildbach lehrt Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sozialpolitik an der OTH Regensburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Armut und Ungleichheit in Deutschland und weltweit sowie Rechtsextremismus und Migration.

Elena Großmann ist Masterstudentin im Master „Inklusion/Exklusion“ an der OTH Regensburg und arbeitete ein Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Online-Kurs zum Thema „Armut weltweit“.

Armut und Armutszeugnisse

Armutsforschung ist auch eine immerwährende Suche nach geeigneten Messinstrumenten zur Operationalisierung von Armut. Heute stehen uns viele verschiedene Indizes und Indikatoren zur Verfügung, wie die relative und die absolute Armutsgrenze. Doch Operationalisierung bedeutet immer Grenzziehung, die Entscheidung, wer als arm gilt und wer nicht. Auch wenn sich die Messinstrumente als sinnvoll erwiesen haben, sind festgelegte Grenzen stets ein Produkt aus herrschenden Diskursen und Interessen. Sie werden gesellschaftlich hergestellt und bedürfen deshalb einer stetigen Reflexion und Kritik.

Im Jahr 2000 verabschiedete die Staatengemeinschaft im Rahmen der Vereinten Nationen (UNO) bei einem Gipfeltreffen in New York die sogenannte „Milleniums­erklärung“. Die 189 Unterzeichnerstaaten verständigten sich damit auf acht globale Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs), die bis 2015 erreicht werden sollten. Unter anderem sah die Milleniumserklärung vor, dass der unter Hunger und Armut leidende Anteil der Weltbevölkerung halbiert werden, alle Kinder eine Schuldbildung erhalten sowie die Kindersterblichkeit verringert werden sollten. 2015 schließlich verabschiedete die Staatengemeinschaft die sogenannte „Agenda 2030“, in der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) fixiert wurden. Das Leitbild der Agenda besteht der Bundesregierung zufolge darin, „weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte“ (Bundesregierung 2023). Als Ziele werden beispielsweise „Keine Armut“ (Ziel 1), „Kein Hunger“ (Ziel 2), „Gesundheit und Wohlergehen“ (Ziel 3), „Bezahlbare und saubere Energie“ (Ziel 7), „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ (Ziel 8), „Weniger Ungleichheiten“ (Ziel 10) sowie „Maßnahmen zum Klimaschutz“ (Ziel 13) benannt. 

Die Selbstverpflichtung der Staatengemeinschaft
Angesichts der Nichterfüllung der Milleniumsentwicklungsziele haben sich die Staaten also in Form der UN-Nachhaltigkeitsziele auf eine neue Agenda verständigt, um die zentralen Menschheitsprobleme anzugehen. Soziale Fragen zur Verbesserung der Lebensbedingungen weltweit nehmen in beiden Selbstverpflichtungen einen sehr breiten Raum ein; Hunger und Armut sowie die daraus entstehenden Folgen wie schlechte Gesundheitsversorgung und mangelnde Schulbildung sollen wirksam bekämpft werden. Während an dieser Stelle offenbleiben muss, weswegen die Realisierung der Ziele bis 2015 nicht gelang, kann es angesichts der Covid-19-Pandemie sowie des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kaum überraschen, dass auch beim erneuten Anlauf eine Abschaffung von Hunger und Armut beim aktuellen Stand nicht verwirklicht werden kann. Ein „Armutszeugnis“, so der Titel…

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