Die Bildung der Bundesregierung unter Olaf Scholz nach der Bundestagswahl 2021 war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Erstens endete die 16 Jahre währende Kanzlerschaft Angela Merkels, und erstmals trat der Amtsinhaber bzw. die Amtsinhaberin nicht mehr an. Zweitens erfolgte die Koalitionsbildung inmitten der Corona-Krise und unter den Bedingungen weiterer Krisenerscheinungen wie dem Nachlassen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie den ersten Anzeichen einer Demokratie- und der sich verschärfenden Klimakrise. Drittens basiert die neue Regierung zum ersten Mal seit den 1950er Jahre auf einem Dreierbündnis im Bund und erstmalig auf einer sogenannten „Ampel“-Koalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Ampelkoalition ist ein ungewöhnliches Dreierbündnis und war keine Wunschkoalition. Für die Regierungsbildung mussten gemeinsame Positionen zwischen sehr unterschiedlichen Partnern gefunden werden. Dennoch verliefen die Verhandlungen 2021 überraschend geräuschlos, strukturiert und effizient. Die Koalition versprach einen Neustart und wollte „mehr Fortschritt wagen“, doch kaum im Amt, erfolgte der Überfall Russlands auf die Ukraine. Drei Tage danach sprach Kanzler Olaf Scholz von der „Zeitenwende“. Dies machte zwar nicht die im Koalitionsvertrag formulierten politischen Vorhaben obsolet, verwies aber schon da auf die Möglichkeit, dass manche Erwartungen nicht erfüllt und enttäuscht werden könnten. Der Krieg veränderte nicht nur die deutsche, sondern die weltpolitische Situation und hatte sehr schnell Folgen für Energieversorgung, Militärausgaben, Versorgung, Preise, Infrastrukturen, Zulieferung usw. Die Ampelkoalition wurde mit Problemen konfrontiert, die zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung noch nicht existierten und die nicht voraussehbar waren. Die Beurteilung der neuen Koalition wird so weniger vor dem Hintergrund der Ziele und Versprechen des Koalitionsvertrags erfolgen können als vor dem Hintergrund ihrer Leistungen in Zeiten des Krieges und mehrfacher Krisen. Noch keine Bundesregierung wurde so kurze Zeit nach dem Machtwechsel vor eine solche Vielzahl von Herausforderungen und Problemen gestellt. Dies muss bei der Begutachtung ihrer Leistungen zum einen berücksichtigt werden, zum anderen kann diese nicht kurzfristig erfolgen, ist der politische Prozess der Krisenbewältigung ja noch in vollem Gange. Insgesamt ist die wissenschaftliche Literatur zur Ampelkoalition daher noch recht spärlich und ausführlichere Studien beziehen sich im Wesentlichen auf die Koalitionsbildung, auf den Koalitionsvertrag und auf erste Zwischenbilanzen nach hundert Tagen „Ampel“. Bilanzen nach einem Jahr Ampelkoalition sind, bis auf die vorliegende Publikation, noch im Wesentlichen Gegenstand der Massenmedien. Im Folgenden werden drei Veröffentlichungen vorgestellt, die sich auf die zuvor genannten Phasen beziehen.