Die Autorin

Canan Korucu ist Co-Geschäftsführerin von ufuq.de. Sie studierte Erziehungswissenschaften und Gender Studies, war wiss. Mitarbeiterin an der Universität Bremen und beschäftigt sich in der Bildungsarbeit mit Themen wie antimuslimischem Rassismus, Antifeminismus sowie Prävention islamistischer Einstellungen auf Social Media.

Antidiskriminierungsrecht und Religion an Schulen - alles gut?

Die Themen Religion bzw. muslimische Alltagspraktiken an Schulen bewegen viele Gemüter. Vor allem in Berlin, wo lediglich jede fünfte Person einer Kirche angehört, sind Fragen, Unsicherheiten bis hin zur Ablehnung von religiösen Alltagspraktiken an Schulen nachvollziehbar. Damit einher gehen häufig Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen von rassifizierten und marginalisierten Jugendlichen. In Berlin können sich Schüler*innen mit Hilfe des Landesantidiskriminierungsgesetzes gegen Diskriminierung an Schulen zur Wehr setzen. Ist das Problem damit gelöst? 

Sowohl das Grundgesetz als auch das Berliner Schulgesetz verbieten die Diskriminierung aufgrund der Religion. Lediglich das Berliner Neutralitätsgesetz hat bis März 2023 in Sachen Religion mit der Argumentation der Störung des Schulfriedens Verbote möglich gemacht. Zwar untersagte das Gesetz in erster Linie Lehrkräften, sichtbare religiöse Symbole und religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen, aber es wurde bspw. auch bei Forderungen von Schüler*innen nach einem Gebetsraum herangezogen. Schulen argumentierten dabei mit der Störung des Schulfriedens, wogegen Schüler*innen und Eltern teilweise erfolgreich klagten. Doch wie ist der Wunsch nach mehr religiösen Alltagspraktiken in der Schule zu deuten und wie kann der pädagogische Umgang mit ihm aussehen? Bevor auf diese Fragen näher eingegangen wird, soll ein Blick auf Bildungsungleichheit und Diskriminierung in Deutschland gerichtet werden. Denn zur besseren Einordnung des Themas ‚Religion in der Schule‘ ist auch das Verständnis gesellschaftlicher Dominanz- und Differenzverhältnisse und damit das Wissen um die unterschiedlichen Lebensrealitäten marginalisierter und rassifizierter Personen bedeutsam.

Bildungsungleichheit in Deutschland

Für manche Kinder und Jugendliche gilt das meritokratische Versprechen in der Schule nicht, sie kommen trotz guter Leistung nicht voran. Nach übereinstimmender Studienlage werden die Bildungschancen weiterhin durch den sogenannten Migrationshintergrund und die soziale Herkunft bestimmt. Laut den amtlichen Statistiken lag 2021 das Risiko für Armut oder soziale Ausgrenzung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bei 20,8 % (Bertelsmann 2023). Vor allem sind Kinder und Jugendliche von Armut betroffen, deren Eltern einen niedrigen formalen Bildungsabschluss und/oder eine Migrationserfahrung haben. Darüber hinaus ist die Familienform, die Anzahl der Geschwister und das Bundesland, in dem die Kinder und Jugendlichen aufwachsen, für die Armutsgefährdungsquote ausschlaggebend. In Berlin beispielsweise liegt sie bei 23,3 % und damit höher als im Bundesdurchschnitt (20,8 %). Die höchste Armutsgefährdungsquote haben im Jahr 2021 mit 41,1 % Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Bremen und die niedrigste mit 13,4 % diejenigen in Bayern (ebd.).
Obwohl in Schulgesetzen das Recht auf…

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