Bücher zum Thema: (Nie) Wieder Krieg
- Jason Bordoff/Meghan L. O’Sullivan: Green Upheaval. The New Geopolitics of Energy. In: Foreign Affairs 101 (2022), Heft 1, S. 68–84
- Jörn Leonhard: Die Grenzen der Analogien. Der Krieg in der Ukraine als historische Zäsur. In: Osteuropa 72 (2022), Heft 4–5, S. 3–12
- Karl Schlögel: Die Ukraine als Kairos. Die Ordnung im Kopf und die Unordnung der Welt. In: Osteuropa 72 (2022), Heft 1–3, S. 7–18
- Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. C.H. Beck: München 2011, 523 S.
Den Jahrzehnten politischer Stabilität in Europa nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren Jahrzehnte beispielloser Brutalität vorausgegangen. Der größte Teil der Opfer, die nicht durch Kampfhandlungen oder den Luftkrieg getötet wurden, kam in dem Gebiet ums Leben, auf dem sich heute die baltischen Staaten, Weißrussland, die Ukraine und Ostpolen befinden. Schätzungsweise 14 Millionen Menschen fielen den Massenmordkampagnen Hitlers und Stalins zum Opfer. Vor diesem Hintergrund hat Timothy Snyder sein 2011 in deutscher Sprache erschienenes Buch „Bloodlands“ genannt. Die dritte Seite des Buchs enthält eine Karte Europas, in der diese Gebiete in tiefem Schwarz gekennzeichnet sind. „Über Details dieser politischen Geographie kann debattiert werden“, räumt Snyder auf Seite 417 ein, „aber nicht über die Existenz einer Zone in Europa, wo sich sowjetische und deutsche Herrschaft überschnitten und die größte Zahl der Massenmorde beider Regime stattfand.“
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte das Morden ein Ende, zum Preis der fortdauernden bzw. neu errichteten kommunistischen Diktatur der Sowjetunion. Als die Ukraine und Weißrussland im Zuge des sowjetischen Zusammenbruchs 1991 ihre Unabhängigkeit wiedererlangten, schien eine Zukunft in Frieden und Freiheit möglich zu sein. Doch diese Hoffnung trog. Die Region entging ihrem Schicksal als „cordon sanitaire“ zwischen der strauchelnden russischen Atommacht und dem Westen nicht. Bestimmt der Raum, in dem die Menschen leben, deren Schicksal maßgeblich mit? Die Wissenschaften diskutieren diese Frage unter dem Stichwort „Geopolitik“, kommen dabei aber zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel vertritt, sichtlich erschüttert von den Ereignissen wenige Wochen zuvor, in seiner vom 30.4.2022 anlässlich der Römerberggespräche unter dem Titel „Nie wieder Frieden“ gehaltenen Ansprache den Standpunkt, dass die „Geopolitik zum allround-Erklärungsmodell geworden [sei], so als leitete sich alles Geschehen allein aus den Raumverhältnissen ab. Aber die Geographie, die an die Stelle der Systeme tritt, kann das Agieren von Gesellschaften, Staaten, Diktatoren nicht wirklich erklären und es ist längst Zeit, die Erforschung der Komplexität von Gesellschaftssystemen wieder in ihre Rechte einzusetzen.“ (Osteuropa, Jg. 72, 2022, H. 1–3, S. 15…
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