Autorin

Prof. Dr. Anja Senz ist Professorin für Gegenwartsbezogene Chinaforschung am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg.

Chinas Transformationspfade – ökonomisch, sozial, ökologisch?

Was kennzeichnet den Klimaschutz in China und welche Transformationspfade werden Richtung Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität eingeschlagen? Ziele und Herausforderungen anhand der Beispiele Wasser, Energie und Verkehr.

„Sie haben mir kein Wasser gegeben!“ – das Video mit diesem verzweifelten Ausruf eines auf sandigem Boden knienden Mannes in einer Kleinstadt in Chinas Nordwesten wurde Ende März 2023 in den chinesischen Sozialen Medien millionenfach geteilt. Bergbauaktivitäten hätten, so der Betroffene, zur Versalzung des Wassers geführt, das nun für die Bewässerung unbrauchbar sei. Die lokale Kohlemine stehe nicht zu ihrer Zusage, Wasser für seine Baumplantage zu liefern. Sein jahrelanger Kampf gegen die Ausbreitung der Wüste sei gefährdet. Angesichts der medialen Aufmerksamkeit gerieten gleich mehrere staatliche Energie- und Bergbauunternehmen unter Erklärungsdruck und die chinesischen Staatsmedien mussten einen gut zwei Jahrzehnte schwelenden Konflikt zwischen den Betreibern der Kohlemine und dem forstwirtschaftlichen Unternehmer erläutern. Am Ende stellten die städtischen Behörden Wasser in Tankwagen zur Verfügung und ergriffen Maßnahmen zum Schutz junger Bäume, die abzusterben drohten. Die Geschichte, die so viele Menschen bewegte – einige Hashtags zu dem Vorfall erhielten über 300 Millionen Aufrufe – warf zahlreiche Fragen nach Zuständigkeiten auf: Ist das Unternehmen, dem die Kohlemine gehört, verantwortlich? Was ist die Aufgabe der lokalen Regierung? Welche Rolle spielten übergeordnete Behörden? Die Diskussion berührte damit typische Probleme der chinesischen Umweltverwaltung sowie Fragen nach dem Übergang in eine ökologischere und nachhaltigere Lebens- und Wirtschaftsweise.

Verwaltungsherausforderungen

Chinas Wasserprobleme sind notorisch. Die Wasserressourcen des Landes sind ungleich verteilt, der Süden ist von Wasserreichtum gekennzeichnet, der Norden leidet an Trockenheit und häufigen Dürreperioden. Großprojekte zur Kanalisierung des Wassers von Süden nach Norden bewegen die politische Führung daher seit langem. Eine Überweidung in den nordwestlichen Landesteilen hat auf großen Flächen zur Desertifikation geführt. Aufforstungs- und Begrünungsmaßnahmen zeitigen bisher nur bedingt Wirkung. Prognosen zufolge könnte Chinas Lücke in der Wasserversorgung bis zum Jahr 2030 bei 25 % liegen. Die rasche Urbanisierung und Industrialisierung, das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte, die Umweltverschmutzung und die Auswirkungen des Klimawandels stellen große Herausforderungen für die Wasserversorgung und -qualität dar.
Im Jahr 2022 veröffentlichte China erstmals einen nationalen Plan zur Wassersicherheit, der die verschiedenen wasserpolitischen Maßnahmen koordinieren soll. Die Zielsetzungen reichen vom Aufbau eines Vorhersage- und Managementsystems für Hochwasser- und Dürrekatastrophen über die Optimierung der Wasserzuteilung bis zu Effizienzsteigerungen im Wasserverbrauch durch strengere…

Weiterlesen mit POLITIKUM+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus Politikum im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Politikum-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Politikum+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben Politikum bereits abonniert?
Jetzt anmelden

Im Abonnement kein Heft verpassen

Ein Beitrag aus