Das besondere Buch - POLITIKUM 1/2024
Auch wenn es nach dem im Januar 2024 bekannt gewordenen Potsdamer Treffen zum „Masterplan Remigration“ massenhafte Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in allen Teilen Deutschlands gegeben hat: Der Aufstieg solcher Positionen und die sie repräsentierenden Parteien fordern die Demokratie massiv heraus. Das Buch des renommierten Extremismus- und Terrorismusforschers Peter Neumann vom Londoner Kings College nimmt die rechtsextreme Gefahr in einem breiten Sinne in den Blick. Es legt systematisch Wurzeln und Logiken rechtsextremistischen Denkens frei. Zur äußersten Rechten zählt er nicht nur Neonazis oder Neofaschisten, sondern auch Phänomene wie rechte Esoteriker, Identitäre, Reichsbürger, Kulturrassisten, Islamophobe, christliche Nationalisten, Incels, Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten. Diese gibt es inzwischen in zahlreichen westlichen Ländern und sie feiern in Form von radikalen Parteien nicht nur in Deutschland, sondern auch etwa in Frankreich, Italien und Schweden Wahlerfolge.
Wer Rechtsextremismus stoppen wolle, der dürfe sich nicht darauf beschränken, diejenigen zu bekämpfen, die bereits Rechtsextreme sind, sondern müsse sich zugleich gründlich mit den dahinterliegenden Ängsten – Verunsicherung durch gesellschaftlichen und politischen Wandel, Verlust an Wohlstand, Sicherheit und Status – beschäftigen. Rechte Ideen sind für Neumann wesentlich durch ihre Skepsis bzw. Gegnerschaft zur liberalen Moderne entstanden. Zentraler Treiber dabei seien Angst und Pessimismus. Versprechen von Gleichheit und Umverteilung werden dabei andere Vorstellungen von Identität und Zugehörigkeit gegenübergestellt. Vor allem werde politische Gemeinschaft im rechtsextremen Weltbild vorrangig durch Herkunft und Sozialisierung bestimmt. Rechte Weltsicht werde dann zu gefährlichem Extremismus, wenn sie Rechte, Freiheiten und Unversehrtheit anderer missachte und damit gesellschaftlichen Pluralismus infrage stellt oder – wie jüngst in Potsdam – vom „großen Bevölkerungsaustausch“ fabuliert. Neben einem Rückzug vom liberal-modernen Mainstream könne es dann zunehmend zum gewaltsamen Kampf mit dem „verhassten System“ kommen.
Neumann plädiert zugleich dafür, nicht bei jeder abweichenden Meinung oder anderen Weltbildern die „Nazikeule“ zu schwingen und auch sehr rechtskonservative Politikansätze als zumindest legitim in einer lebendigen Demokratie zu akzeptieren. Das Bedürfnis „in jedem Rechtsextremen einen neuen Hitler erkennen zu wollen, verhindert, dass neue Spielarten des Rechtsextremismus rechtzeitig erkannt werden“ (S. 160). Dies schließt einerseits ein, Teile der AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ (Bundesebene, Baden-Württemberg) oder als „gesichert rechtsextrem“ (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) zu sehen und mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu…
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