Rezensent

Prof. Dr. Johannes Varwick, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Mitherausgeber von POLITIKUM

Das streitbare Buch: Das Ende des Kapitalismus

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus.
Warum Wachstum und Klima-schutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden.
Kiepenheuer & Witsch: Köln 2022, 341 S.


Angesicht multipler Krisen und insbesondere angesichts der immer bedrohlicher werdenden globalen Klima- und Umweltkrise ist zunehmend auch die Art unseres Wirtschaftens in die Diskussion geraten. Und das vollkommen zurecht. Dass es ‚so wie bisher‘ nicht weitergehen kann und unser westliches Modell schon gar nicht globalisierungstauglich in einer Welt von 9 Milliarden Menschen ist, ist inzwischen keine exklusive Erkenntnis von radikalen Klimaschützern mehr, sondern besorgter und berechtigter Grundton aller, die sich ernsthaft mit diesen Themen befassen. Gute Ideen für eine Ordnung, die Innovationskraft, sozialen Ausgleich und die Beachtung ökologischer Grenzen gleichermaßen ermöglichen werden, sind mithin dringlich. In dieser Debatte trifft die TAZ-Journalistin Ulrike Herrmann mit ihrem Bestseller „Das Ende des Kapitalismus“ durchaus einen passenden Grundton, auch weil sie es schafft, wissenschaftliche Erkenntnisse für eine breite Leserschaft verständlich aufzubereiten.
Der Kapitalismus war, so Herrmann, außerordentlich segensreich, entstand doch mit ihm das erste Sozial- und Wirtschaftssystem der Geschichte, das kontinuierlich Wohlstand erzeugt habe, selbst wenn Ungleichheit systemimmanent war. Inzwischen erweise sich dies jedoch mehr als Fluch denn als Segen. Denn Kapitalismus erzeuge nicht nur Wachstum, sondern benötige auch Wachstum, um stabil zu sein. Ohne ständige Expansion breche er zusammen. Das strukturelle Dilemma sei, dass man in einer endlichen Welt nun einmal nicht unendlich wachsen könne. Bisher habe der Kapitalismus zwar jede Krise überstanden, also nähmen viele an, dass er auch die Klimakrise meistern könne. Doch: „In der Vergangenheit waren viele Untergangsszenarien tatsächlich falsch – aber diesmal wird der Kapitalismus wirklich enden“ (S.  83). Daran änderten auch die seit Jahrzehnten geführten Debatten um Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch, technologische Innovationen, nachhaltige Kreislaufwirtschaft oder „Green Deals“ nichts Grundlegendes.
Die ersten beiden Kapitel („Der Aufstieg des Kapitals“ und „Grünes Wachstum gibt es nicht“) der drei großen Teile des Buches belegen diese These auf 92 bzw. 84 Seiten faktenreich und eingänglich. Abschnitt 3 („Das Ende des Kapitalismus“) versucht sich dann auf 54 Seiten an einer Lösung. Bei dieser wäre es fatal, so Herrmann, wenn nur noch gedacht werde, was politisch als mehrheitsfähig gelte – ein leises Anklingen daran, dass die Diagnose brüchig sein könnte. Und hier kann man Herrmann Versagen vorwerfen, oder aber konstatieren, dass es einfach noch keine tragfähigen Antworten gibt und man froh sein muss, wenn sich jemand daran versucht. Herrmanns nicht recht überzeugende Antwort: Der Kapitalismus müsse untergehen und es müsse eine neue Wirtschaftsordnung entstehen,…

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