Die Autorin

PD Dr. Jana Windwehr lehrt Politikwissenschaft an der Universität Halle-Wittenberg und der Freien Universität Berlin.

Die Arktis als Ressourcenraum

Die Ressourcen und Transportwege in der strategisch bedeutsamen Region rund um den Nordpol weisen noch eher begrenztes Konfliktpotenzial auf, aber internationale Spannungen besonders unter den beteiligten Großmächten werden zunehmend auch dort ausgetragen. Zukünftig geht es weniger um „heiße“ Sicherheitsrisiken im Streit um Öl- und Gasfelder, sondern vielmehr um die Akzeptanz einer regelbasierten regionalen Ordnung durch die beteiligten Staaten. Damit wird die Arktis zu einer Arena internationaler Spannungen, die auch die bisher robuste regionale Kooperation massiv beeinträchtigen und möglicherweise dauerhaft zu beschädigen drohen. 

Seit Jahren häufen sich Schlagzeilen, die massive Konflikte bis hin zu Kriegsszenarien in der Arktis heraufbeschwören. Primärer Hintergrund ist in der Regel die Annahme, dass aufgrund der in der Arktis – also der Erdregion um den Nordpol, die das Nordpolarmeer und die nördlichen Ausläufer der Kontinente Nordamerika, Asien und Europa umfasst – vorhandenen Ressourcen, die durch den Klimawandel und das schwindende Polareis abbaubar werden, die Anrainerstaaten und ggf. weitere Akteure ihre Interessen mit allen Mitteln durchsetzen werden. In der Tat prognostiziert etwa das renommierte Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, dass noch vor 2050 weite Teile der Arktis zumindest in manchen Sommern eisfrei sein werden, so dass sowohl neue Möglichkeiten der Rohstoffförderung als auch kürzere und damit potenziell günstigere Seewege für die Handelsschifffahrt wahrscheinlich erscheinen. Doch welche Triebkräfte und Hemmnisse für eine verstärkte wirtschaftliche Nutzung lassen sich bei näherem Hinsehen identifizieren, und wie steht es wirklich um die Wahrscheinlichkeit arktischer Ressourcen- und damit verbundener Territorialkonflikte im großen Stil?

Interessen in und an der Arktis in theoretischer Perspektive

Ohne Zweifel ist zunächst richtig, dass in der jüngeren Vergangenheit primär die Anrainerstaaten der Arktis, nämlich Russland, die USA (wegen Alaska), Kanada, Norwegen und Dänemark (wegen Grönland) ihre Interessen in Strategiedokumenten definiert und teils explizit Ansprüche formuliert haben. Dazu kommen Staaten in unmittelbarer geographischer Nähe wie Island, Schweden oder Finnland, externe Akteure wie die Europäische Union, aber auch China, das sich geographisch abenteuerlich als „near-Arctic state“ bezeichnet, und nicht zuletzt die indigenen Bevölkerungsgruppen in den arktischen Staaten, die alle ebenfalls Interessen in der Region haben und mehr oder weniger explizit vertreten. Insofern ist der Befund, dass die Arktis durch das tauende Eis politisch relevanter wird, zunächst offenkundig richtig. Ob aber der Klimawandel nicht nur zu negativen Umweltfolgen, sondern auch zu einer Erosion der bisherigen Arktis-Governance und damit zwingend zu konfliktträchtigeren Beziehungen in der Region führt, ist umstritten und lässt sich in zwei Extrempositionen zuspitzen: 
  • Während die einen eine „neorealistisch-geopolitisch“ geprägte Arktis als wahrscheinlich ansehen, in der Nullsummenspiele um Konflikte und militärische Machtprojektionen bis hin zum offenen Konflikt dominieren (Neorealismus), 
  • setzen andere dem entgegen, dass die kooperativen Institutionen sich als robust erwiesen hätten und weiterhin gewährleisten würden, dass in der Arktis das internationale (See-)Recht gilt und Herausforderungen gemeinsam bewältigt würden (Institutionalismus).

Um welche Ressourcen geht es eigentlich?

In der Arktis werden umfangreiche Öl- und vor allem Gasvorkommen vermutet, daneben Blei, Diamanten, Gold, Kupfer, Silber und Zink sowie Seltene Erden, die für die Herstellung von u. a. Windturbinen, Elektromotoren und Smartphones unverzichtbar sind. Allerdings handelt es sich bei den öffentlich kommunizierten Zahlen, bspw. einer vielzitierten Studie des US Geological Survey (2008), um Schätzungen, die möglicherweise das Ausmaß der arktischen Ressourcen stark überschätzen. Während zu Vorkommen an Land relativ gesicherte Erkenntnisse vorliegen, ist die Erkundung von Vorkommen unter See aufwändig und teuer. Es ist also keineswegs gesichert, dass in der Arktis 90 Milliarden Barrel Öl und 48 Billionen Kubikmeter Erdgas lagern (so die damalige Angabe), sondern es handelt sich um Wahrscheinlichkeitsangaben für Rohstoffvorkommen. Klar erscheint aber, dass die Rohstoffe zu 85–90 % in den Schelfgebieten der Anrainerstaaten liegen – und damit nicht in strittigen Gebieten. Weiterhin ist mit dem Vorhandensein von Öl- und Gasfeldern noch nichts über deren Profitabilität ausgesagt, die zum einen vom Weltmarktpreis und damit verbunden mit Alternativen an Land wie Schiefergas bzw. auch erneuerbaren Energien abhängt, zum anderen von den technologischen Herausforderungen und finanziellen Kosten des Abbaus unter extremen klimatischen Bedingungen. Bevor also ernsthaft über eine Förderung der vermutlich begrenzten Ressourcen auf Hoher See nachgedacht wird, steht vermutlich vorher die Erschließung der deutlich umfangreicheren auf dem Kontinentalschelf, also dem flachen Meeresboden in Küstennähe, an. Ein Blick auf die aktuellen Aktivitäten zeigt allerdings: Vor Alaska, Kanada und Grönland wurden die laufenden Explorationen aus wirtschaftlichen sowie Umweltgründen eingestellt, vor Russland wird zwar ein enormes Potenzial vermutet, es fehlt aber an der Technologie zu ihrer Förderung, und die Kooperation mit den norwegischen (Stat­oil/Equinor) und französischen (Total) Staatskonzernen zur Erschließung des Shtokman-Gasfelds in der Barentssee wurde bereits 2012 wegen schlechter Marktaussichten eingestellt. Aktuell sind ohnehin sämtliche Kooperationen mit Russland im Zuge der Sanktionen aufgrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine eingefroren. Lediglich vor Norwegen läuft die Förderung in größerem Stil, u. a. auf dem Gasfeld „SnowWhite“.

Streitpunkte

Angesichts dieser Reserven innerhalb der staatlichen Territorialgewässer besteht somit wenig wirtschaftlicher Druck, umstrittene Hochseegebiete unter eigene Kontrolle zu bringen, zumal im Fall eines offenen Konflikts jegliche Förderung sowie die Schifffahrt in der Region massiv beeinträchtigt würden. Dazu kommt, dass mit dem Meeresschutzabkommen im Rahmen der Vereinten Nationen, das bis 2023 ausgehandelt wurde und Anfang 2024 in Kraft tritt, insgesamt 30 % der Weltmeere unter strengen Schutz gestellt werden sollen, darunter auch Schutzgebiete auf Hoher See, in denen jegliche wirtschaftliche Nutzung nur noch nach eingehender Prüfung der Umweltfolgen möglich sein soll. Es geht also bei näherem Hinsehen nicht um „Kämpfe“ um riesige, bisher völlig unregulierte Territorien. Die dänische Arktisstrategie von 2011 etwa formuliert dann auch, dass 97 % der Öl- und Gasvorkommen klar innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen der arktischen Staaten allokiert seien. Vielmehr beschränken sich die Konfliktfälle auf einige konkrete Streitpunkte: 
  • Erstens sind dies mögliche Erweiterungen der nationalen Gewässer auf Basis des sog. Festlandsockels, für die es aber ein geregeltes Verfahren gibt (s. unten). 
  • Zweitens sind die Durchfahrtsrechte durch die arktischen Seewege, namentlich die Nordostpassage nördlich von Russland und die Nordwestpassage vor der kanadischen Küste, teilweise strittig, wobei allerdings schwer kalkulierbare Wetterbedingungen, Infrastrukturmängel und politische Unwägbarkeiten ohnehin erhebliche Hindernisse darstellen und die Nutzung durch Handelsschiffe bisher entsprechend überschaubar ausfiel. 
  • Drittens bestehen einige Regelungslücken bzgl. nicht-fossiler Rohstoffe, insbesondere in der Fischerei, für die nur lokale Fangregime existieren. Zugleich aber wurde im Jahr 2020 ein Fangstopp-Abkommen ausgehandelt, das die kommerzielle Fischerei in arktischen Gewässern untersagt, bis nähere wissenschaftliche Erkenntnisse über die ökologischen Folgen vorliegen. Auf regionaler Ebene ist schließlich der Abbau von Tiefseemineralien rund um die Insel Spitzbergen aufgrund unterschiedlicher Auslegungen des Spitzbergen-Vertrags von 1920 umstritten; dies betrifft jedoch nur einen geographisch klar begrenzten Raum. 

Unter dem Strich ist also das Ausmaß der tatsächlich umstrittenen Ressourcen sehr viel kleiner, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre und medial häufig kommuniziert wird. 

(K)ein verlässlicher rechtlicher Rahmen?

Die Landgebiete der Arktis sind nicht strittig, die Grenzziehungen klar und akzeptiert. Im Jahr 2022 endete auch der kuriose „Streit“ zwischen Dänemark und Kanada um die Hans-Insel, bei dem abwechselnd eine Flasche Whiskey bzw. Schnaps als nicht ganz ernst gemeintes Souveränitätssymbol auf der menschenleeren Insel deponiert wurde, mit der friedlichen Aufteilung – ausdrücklich unter der Maßgabe, in politisch schwierigen Zeiten ein Zeichen zu setzen. Dieser Befund der unangefochtenen Grenzziehungen gilt nicht im selben Maße für die Seegebiete. Zwar konnte die lange umstrittene russisch-norwegische Grenze in der Barentssee mittels eines bilateralen Abkommens 2009 friedlich festgelegt werden, es gibt aber weiterhin unklare Grenzverläufe zwischen Russland und den USA in der Beringsee und den USA und Kanada in der Beaufortsee. Rechtliche Grundlage für die gigantischen Seegebiete der Arktis und insbesondere den Verlauf der Seegrenzen ist das Internationale Seerechtsübereinkommen (SRÜ) von 1982, das allerdings erst 1994 in Kraft trat. In diesem werden die Gebietsansprüche der Küstenstaaten mit Blick auf ihre Territorialgewässer, ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) und ihre Kontinentalschelfe bzw. die Hohe See – das Gebiet vollständig außerhalb nationaler Kontrolle – geregelt.

Weiterhin wurden mit dem SRÜ drei wichtige Institutionen eingerichtet: der Internationale Seegerichtshof mit Sitz in Hamburg, die Internationale Meeresbodenbehörde in Kingston, Jamaika, mit Zuständigkeit für die Nutzung von Ressourcen der Hohen See sowie die Festlandsockelgrenzkommission in New York. Letztere gibt bei entsprechenden Anträgen von Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit Empfehlungen zur Festlegung der Grenzen des Festlandsockels ab. Bis zu zehn Jahre nach Beitritt zum SRÜ kann ein Staat einen solchen Antrag stellen und damit die Erweiterung seiner AWZ von 200 auf bis zu 350 Seemeilen prüfen lassen. Er muss dazu wissenschaftliche Belege erbringen, dass die geologischen Formationen des Kontinentalschelfs dies rechtfertigen. Es besteht also zunächst kein völkerrechtliches Vakuum in der Arktis, und die Liste der Bekenntnisse zum völkerrechtlichen Rahmen und internationalen Organisationen wie der International Maritime Organisation (IMO) ist lang und umfasst sämtliche Anrainerstaaten. So haben sich in der sog. Erklärung von Illulissat 2008 die Anrainer zur friedlichen Streitbeilegung verpflichtet, und auch in den nationalen Arktisstrategien wird betont, die kooperative, regelbasierte internationale Ordnung in der Arktis diene nationalen und globalen Interessen (Kanada), die Arktis sei kein legales Vakuum (Dänemark), man werde sich strikt an seine internationalen Verträge halten (Russland) und die Erweiterung des Festlandsockels sei kein feindlicher Akt und kein Rennen (Kanada).

Die nächste Welle der Strategien, rund zehn Jahre später um 2020 herum entstanden, betont zwar sicherheitspolitische Risiken etwas stärker, bleibt aber insgesamt – mit Ausnahme der USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump – weiterhin zurückhaltend. Dennoch gehört zur Bestandsaufnahme auch eine realistische Risikoeinschätzung. Die USA haben das SRÜ bis heute nicht ratifiziert, obwohl unterschiedliche Administrationen dazu durchaus bereit gewesen wären. Im Senat, der dem Beitritt zustimmen müsste, blockieren republikanische Senatoren diesen Schritt, weil sie es für „unerträglich“ halten, im Fall des Abbaus von Ressourcen auf dem Meeresboden Lizenzgebühren an Entwicklungsländer zu zahlen. Gleichzeitig halten sich die USA aber gewohnheitsrechtlich an die Bestimmungen des SRÜ, so dass der zweite Faktor schwerer wiegt: Dem SRÜ fehlt eine Streitschlichtungsinstanz, die über bilaterale Streitigkeiten bzgl. Seegrenzverläufe entscheiden könnte. Aktuell wird vor der Festlandsockelgrenzkommission über den von Russland erhobenen Anspruch auf den 1.800 km langen Lomonossow-Rücken verhandelt, wobei auch Kanada und Dänemark Ansprüche auf Teile dieser Gebiete angemeldet haben. Sollte am Ende des extrem aufwändigen und langwierigen Verfahrens eine negative Entscheidung stehen, befürchten manche Beobachter, dass Russland diese nicht akzeptieren, Seegebiete unilateral zu nationalen Gewässern erklären und damit letztlich die rechtliche Ordnung in der Arktis insgesamt auf dem Spiel stehen könnte. Neben der weiteren Erosion des internationalen Rechts wären mögliche unmittelbare Folgen in der Region selbst eine erschwerte Durchfahrt durch die Nordostpassage für internationale Schiffe und potenziell ein unkontrollierter und nicht nachhaltiger Ressourcenabbau.

Kooperationsformate zwischen Verlässlichkeit und Erosion

Neben dem völkerrechtlichen Rahmen des Seerechtsübereinkommens existiert eine Reihe internationaler Organisationen, die bisher Stabilität und Kooperation in der Arktis gewährleistet haben. 
  • Im Arktischen Rat sind neben den bereits genannten Anrainerstaaten auch Finnland, Schweden und Island vertreten; weitere Staaten haben Beobach­terstatus und eine Reihe indigener Organisationen sind „permanente Teilnehmer“. Allerdings ist der Arktische Rat eine weitgehend auf den Umweltbereich spezialisierte Organisation, die sich in Arbeitsgruppen mit wichtigen Aspekten des Schutzes der Arktis befasst, aber keine bindenden Beschlüsse treffen kann und somit als eher „weiche“ Institution gilt. 
  • Die sog. Arctic Five, gegründet im Zuge der bereits angesprochenen Erklärung von Ilulissat 2008, bilden ein exklusiveres Gremium, das Kernfragen der Region unter sich zu regeln beansprucht, de facto bisher jedoch nur sporadisch getagt hat. 
  • Weiterhin relevant ist die International Maritime Organization, die u. a. den sog. Polar Code (International Code for Ships Operating in Polar Waters) vorgelegt hat, der 2017 verabschiedet wurde und Themen wie technische Anforderungen, Ausrüstung, Training, Rettung und Umweltschutz beim Navigieren in den polaren Gewässern regelt. Dazu kommen weitere themenspezifische Organisationen insbesondere im Umweltbereich sowie subregionale Formate wie der Barents-Euro-Arctic Council. 
Insgesamt lässt sich also durchaus von einem komplexen, aber auch robusten Mosaik von Regeln, Normen und Institutionen in der Arktis sprechen, welches sich auch in schwierigen Zeiten wiederholt bewährt hat. So konnten trotz wachsender internationaler Spannungen neue Abkommen zu Search & Rescue (2011), mariner Ölverschmutzung (2013) sowie noch nach der Annexion der Krim 2014 zur Verbesserung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit (2017) erreicht werden, hinter denen immer wieder die Motive sich überlappender Interessen und gemeinsamer globaler Herausforderungen erkennbar sind, die sich in der Arktis besonders stark zeigen, bspw. durch das Tauen der Permafrostböden und die damit einhergehenden ökologischen Probleme und Infrastrukturschäden. Allerdings ist zum einen die Lage im sicherheitspolitischen Bereich eine andere: Zwar wurde 2010/11 ein „Arctic Security Forces Roundtable“ eingerichtet, der auch weiterhin jährlich tagt, zuletzt im Frühjahr 2023 in Finnland. Die Kooperation mit Russland in diesem Format wurde aber im Jahr 2014 eingestellt. Zum anderen blockiert der russische Krieg gegen die Ukraine inzwischen auch weitere Institutionen, so das „Arctic Coast Guard Forum“, das eigentlich 2015 gerade zu dem Zweck gegründet worden war, ein Mindestmaß an Kooperation über Themen der maritimen Sicherheit weiterhin zu gewährleisten, und Anfang 2022 ebenfalls bis auf Weiteres auf Eis gelegt wurde. Auch im Arktischen Rat, dessen Vorsitz Russland im Jahr 2022 gehabt hätte, wurde die politische Arbeit zeitweise ausgesetzt; Norwegen als nächstem Vorsitz fällt die Rolle zu, die Arbeit des Rates unter veränderten Vorzeichen neu aufzustellen. Unter den gegebenen Umständen ist eine Wiederaufnahme der regulären Kooperation in den verschiedenen Gremien kaum vorstellbar – und erscheint zugleich ohne Russland auf Dauer nur begrenzt zielführend. 

Veränderte Rahmenbedingungen 

Wenngleich reißerische Formulierungen von Ressourcenwettläufen und „heißem Krieg im kalten Eis“ sich bei näherem Hinsehen als wenig realistisch erweisen, haben sich doch die Rahmenbedingungen des Miteinanders in der Arktis grundlegend verändert. Die Konflikte liegen dabei nicht primär in der Region selbst, und sie sind auch nur in engen Grenzen das Resultat eines Nullsummenspiels um Ressourcen, die zum einen wie gezeigt weitgehend ohnehin in nationalen Gewässern liegen und zum anderen technisch schwierig und zu hohen Kosten gefördert werden könnten. Vielmehr wird die Arktis zu einer Arena internationaler Spannungen, die auch die bisher robuste regionale Kooperation zumindest zeitweise massiv beeinträchtigen und möglicherweise dauerhaft zu beschädigen drohen. Es geht zukünftig also absehbar weniger um „heiße“ Sicherheitsrisiken im Streit um Öl- und Gasfelder, sondern vielmehr um die grundsätzliche Akzeptanz einer regelbasierten regionalen Ordnung durch alle Player, um die Fähigkeit, die massiven Herausforderungen des Klimawandels kooperativ anzugehen, die „tragedy of the commons“ einer drohenden Übernutzung arktischer Ressourcen gemeinsam zu verhindern und notwendige Investitionen in bspw. Infrastruktur für die Schifffahrt auf dem Nördlichen Seeweg zu generieren. Ob dies gelingt, liegt nur begrenzt in den Händen der Anrainerstaaten – denn sowohl der Ausgang des Ukrainekrieges und die innenpolitischen Entwicklungen in Russland als auch die Positionierung Chinas in der Arktis werden massiv Einfluss darauf haben. Zumindest insofern scheint der „arktische Exzeptionalismus“ in einer ansonsten von Großmachtinteressen dominierten Welt der internationalen Politik einer gewissen Normalisierung zu weichen.


Literatur

Hilde, Paal Sigurd 2022: Auf Eis gelegt: Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen in der Arktis nach der Zeitenwende. Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik 8/22.

Le Mière, Christian/Mazo, Jeffrey 2013: Arctic opening. Insecurity and opportunity. London.

Moe, Arild 2023: Bodenschätze und Seewege in der Arktis. In: KAS Auslandsinformationen 1, S. 19–34.

Paul, Michael 2022: Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte. Freiburg/Brsg.

Rottem, Svein Vigeland/Folkestad Soltvedt, Ida (Hg.) 2018: Arctic Governance: Energy, Living Marine Resources and Shipping. London.

Stephen, Kathrin/Knecht, Sebastian/Bartsch, Golo 2018: Internationale Politik und Governance in der Arktis. Eine Einführung. Potsdam/Berlin/Brüssel.

US Geological Survey 2008: The 2008 Circum-Arctic Resource Appraisal: Estimates of Undiscovered Oil and Gas North of the Arctic Circle.
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