Der Autor

Dr. Ulf von Krause ist Generalleutnant a. D. und war bis 2005 Befehlshaber des Streitkräfte­unterstützungskommandos der Bundeswehr. Heute arbeitet er als Politikwissenschaftler und Autor.

Gescheiterte Abschreckung im Ukrainekrieg

Aus Sicht der Abschreckungstheorie wurden in der Ukraine-Krise fundamentale Fehler begangen. Diese beseitigten in der Wahrnehmung von Präsident Putin jedwede Unsicherheit über das zu erwartende Verhalten des Westens. Russland hatte dadurch für den Einsatz militärischer Mittel freie Hand. Die Chance, Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine mit einem militärischen Eingreifen zu drohen und Putin damit von einem Angriff abzuschrecken, wurde vertan. Die permanente Wiederholung des Arguments, man werde bei den Hilfsmaßnahmen für die Ukraine alles vermeiden, wodurch man zur Kriegspartei würde, bestärkten Putin in dieser Überzeugung. Die Abschreckung Putins wurde so durch Selbstabschreckung verstärkt.


Kriege sind seit eh und je Bestandteil der Beziehungen zwischen Staaten, sie sind – um es mit Clausewitz zu sagen – die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Nach den verheerenden Kriegen des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich die Sozialwissenschaften verstärkt mit der Fragestellung, wie sich Kriege verhindern lassen. Als Antwort kristallisierten sich im Wesentlichen drei Ansätze heraus: 

  • Kriegsverhinderung durch Prävention, also die Beseitigung bzw. Verringerung von Konfliktgründen,
  • Kriegsverhinderung durch Diplomatie, um entstandene Spannungen und Konflikte mit friedlichen Mitteln zu bearbeiten und 
  • Kriegsverhinderung durch (militärische) Abschreckung. 

Letztere soll den Ausbruch von Kriegen verhindern, wenn wegen nicht erfolgreicher Prävention und trotz intensiver Diplomatie Spannungen so zugenommen haben, dass ein Ausbruch von Gewalt droht. Dabei sollten sich die Maßnahmen der genannten Ansätze überlappen. So ist Diplomatie ein wesentliches Instrument, um Konfliktgründe zu entschärfen. Und Abschreckung ist stets durch diplomatische Bemühungen zu unterfüttern, d. h., Diplomatie sollte aus einer Politik der Stärke heraus stattfinden können. Oder, wie es die Nato in den 1960er Jahren formuliert hatte: Abschreckung und Entspannung.

Grundlagen der Abschreckungstheorie
Die Abschreckungstheorie geht von der Prämisse aus, dass rational handelnde Akteure von aggressiven Handlungen, zu denen sie in der Lage wären, Abstand nehmen, weil sie die daraus resultierenden Konsequenzen fürchten. Dieser Regulationsmechanismus kann in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen beobachtet werden – beispielhaft sei auf die unterstellte Wirkung strafrechtlicher Normen verwiesen. Das Konzept wurde vor allem im Kontext der vorherrschenden Militärstrategie nach dem Zweiten Weltkrieg und vor dem Hintergrund der Existenz von Nuklearwaffen vielfältig erforscht. 

Ein Erfolg von Abschreckung setzt Rationalität eines potentiellen Angreifers, Wirksamkeit von angedrohten Maßnahmen und Glaubwürdigkeit desjenigen, der diese…

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