Der Autor

Dr. Jasper Finkeldey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Halle-Wittenberg.

Ressourcenpolitik

Potenziale, Steuerungsmechanismen und Herausforderungen

Ressourcenpolitik ist ein häufig verdrängtes Politikfeld, das erst im Falle globaler Lieferengpässe ins Bewusstsein tritt. Dabei ragen Konflikte und geopolitische Spannungen in die Ressourcenpolitik hinein. Käme es tatsächlich zu einer weiteren Verschärfung der globalen Blockbildung, würden Deutschland und die EU handelspolitisch unter Druck geraten. Zahlreiche Akteure machen sich Gedanken, wie die zukünftige Versorgung mit kritischen Ressourcen gewährleistet werden kann. Wie in anderen globalen Politikfeldern fehlt aber auch in der Rohstoffpolitik ein zentraler Steuerungsmechanismus. Die ungebremste Wachstumslogik frisst auch bei nachhaltigerer Produktionsweise den Planeten sprichwörtlich auf.

Der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe war neben seiner weltbekannten schriftstellerischen Tätigkeit zeitweise auch für den Bergbau im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach zuständig. Er arbeitete sich fleißig in das Thema ein und setzte sich mit Nachdruck für die Wiederaufnahme des Kupfer- und Silberabbaus im thüringischen Ilmenau ein, wo der Einbruch von Wasser den Betrieb lange verhinderte. Im Jahre 1784 nutzte er höchstpersönlich die Spitzhacke, um das Bergwerk mitsamt dem neuen Schacht Neuer Johannes wiederzueröffnen. Das Unternehmen war nicht sehr erfolgreich, da es wieder zu Wassereinbrüchen kam und 1796 sogar ein Stollen einstürzte. Goethes Faszination für Bergwerke tat das keinen Abbruch. Unerschrocken verbrachte der passionierte Steinsammler für seine Gesteinsstudien oft Stunden in Bergwerken wie der Zinnwalder Grube in Ostsachsen, in die er immerhin 600 Meter tief hinabstieg. Mehr als zwei Jahrhunderte nach Goethe sucht nun in Zinnwald das Bergbau-Unternehmen „Zinnwald Lithium“ nach dem sogenannten „Weißen Gold“, das in Batterien steckt und ein wesentlicher Bestandteil der E-Mobilitätswende ist. In Zinnwald bemüht man sich darum, den heimischen Bergbau, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zurückgefahren wurde, wiederzubeleben. Denn bei kritischen Rohstoffen ist Deutschland fast vollständig auf Importe von außerhalb der Europäischen Union angewiesen. Die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Ausland wird zunehmend als Problem empfunden, denn Lieferengpässe bedrohen die Industrien.

Konfliktgefahr? Rohstoffabhängigkeit der deutschen Wirtschaft

Je mehr die deutsche Wirtschaft zukünftig auf erneuerbare Energien und E-Mobilität setzt, desto mehr Rohstoffimporte wird Deutschland brauchen. Für die heimische Kohle, die lange Zeit für einen Großteil der Verstromung zuständig war, gibt es ein Ausstiegsdatum. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ging in den letzten Jahren deutlich voran. Als Hochtechnologieland benötigt die deutsche Wirtschaft große Energiezufuhr und Materialien, die aus der ganzen Welt geliefert werden. Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt, dass der Bedarf an Lithium bis 2040 um fast 600 % steigen könnte (DERA 2023). Auch der heimische Lithiumabbau wie in Zinnwald wird den künftigen Bedarf nicht stillen können. Hieraus ergeben sich angesichts der angespannten politischen Weltlage Probleme. Der Sicherheitsforscher Michael T. Klare rief schon vor rund zwei Jahrzehnten eine neue Ära der Ressourcenkriege aus. Er rückte damit Blutvergießen und Erdöl in einen engen Zusammenhang und sah den Irak-Krieg als paradigmatischen Fall an, der sich im Konflikt über andere kritische Ressourcen im 21. Jahrhundert oft wiederholen könnte (Klare 2004). Wenn Klare damit recht hat, wird sich gerade die Konfrontation mit China zuspitzen. Wer die Dynamiken globaler Ressourcenpolitik verstehen will, muss sich daher vor allen Dingen mit den Wirrungen internationaler Politik beschäftigen. Zwar läuft Handel häufig auch in Zeiten zwischenstaatlicher Konflikte weiter, doch gibt es keine objektivierbaren Schwellenwerte dafür, ab welchem Konfliktniveau Handelsbeziehungen eingestellt werden. Deutschland fing zu Zeiten des Kalten Krieges an mit der Sowjetunion mit Gas zu handeln. Dieser Handelszyklus kam erst nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 ins Stocken. Allerdings ist die Menge an verflüssigtem russischem Gas, das in die EU eingeführt wird, in der ersten Hälfte des Jahres 2023 sogar angestiegen. Handelspolitik orientiert sich damit im Wesentlichen nicht am politisch Wünschbaren, sondern an politischen Interessen, die nicht strikt entlang menschenrechtlicher oder ökologischer Leitlinien verlaufen. Embargos und Lieferstopps sind eher die Ausnahme zu der Regel, dass Handel ein beidseitiges Interesse widerspiegelt, das häufig andere Interessen überwiegt. Trotzdem ragen Konflikte und Geopolitik in die Ressourcenpolitik hinein. Das weiß auch die Deutsche Rohstoffagentur: 40 % der Bergwerksprodukte, die nach Deutschland importiert werden, liegen inzwischen in der höchsten Risikogruppe. Die höchste Risikogruppe ist durch die jeweilige Marktkonzentration eines Produkts und durch negative Governance-Indikatoren des Lieferlandes definiert. Bei Raffinade-Produkten liegen 69 % der Stoffe in der höchsten Risikogruppe, die meisten davon stammen aus China. Auch wenn es sich hierbei um ein Grob-Screening handelt, zeigt sich, dass der Trend Richtung potenzieller Lieferrisiken geht. Was würde beispielsweise passieren, wenn China Taiwan überfällt? Würde ein Lieferstopp ausgerufen? Einen kleinen Vorgeschmack lieferte die chinesische Regierung selbst, die ab dem 1. August 2023 eine Exportlizenz für die mineralischen Rohstoffe Gallium und Germanium vorschreibt. Das damit verbundene potenzielle Szenario der wirtschaftlichen Entkopplung von China und anderen autoritären Regimen wird daher immer offener zur Diskussion gestellt. Das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) rechnet vor, dass Deutschland rund 12 % seines Außenhandelsvolumens verlieren würde, wenn der Handel mit als autoritär eingestuften Ländern zum Erliegen käme. Deutschland importiert 15 % seiner Waren aus dieser Ländergruppe (Dorn u. a. 2022, 30 ff.). Das sogenannte „Friendshoring-Szenario“, bei dem Deutschland künftig nur noch mit befreundeten Demokratien Handel betreiben würde, ließe das deutsche Bruttoinlandsprodukt dauerhaft um 1,7 % pro Jahr schrumpfen. Würde Deutschland lediglich aufhören mit China Handel zu betreiben, würde das BIP um 0,5 % schrumpfen. Einbußen müssten vor allen Dingen das produzierende Gewerbe und der Dienstleistungssektor hinnehmen. Der Agrarsektor hingegen wäre laut ifo-Institut ein Gewinner unterschiedlicher Deglobalisierungs-Maßnahmen. Insgesamt werden die Kosten für die deutsche Wirtschaft durch nach China hochgezogene Handelsbarrieren sechsmal höher eingeschätzt als die Folgekosten des Brexit. Im Fazit des ifo heißt es dann auch, dass China „in der langen Frist nicht 1:1 zu ersetzen“ sei. Allerdings würden bei einer langsamen Entkopplung die Folgekosten „moderat“ ausfallen. Von der Erfahrung der relativen Entflechtung der deutschen Wirtschaft von russischen Importen wissen wir, dass sich der Wegfall vormals wichtiger Handelspartner ökonomisch in der Breite der Bevölkerung bemerkbar macht. Daher lassen sich die Folgen nicht alleine auf das ökonomische Zahlenwerk reduzieren. Ökonomische Stabilität ist zumeist auch Garant für politische Stabilität. Wohlstandsverluste mögen zwar kurzfristig auf äußere Faktoren geschoben werden, führen aber langfristig auf die politische Rutschbahn Richtung autoritärer Herrschaft.

Ende der Abhängigkeit? Recycling und andere kreative Lösungen

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung drängt daher auf weniger Abhängigkeit von einzelnen Rohstoffimporteuren. Auch die Europäische Union macht sich vor dem Hintergrund potenzieller Lieferengpässe Gedanken über die zukünftige Versorgung von kritischen Ressourcen. Der „Critical Raw Materials Act“ aus dem Jahre 2023 ist ausdrücklich als Reaktion auf mögliche Lieferprobleme aufgesetzt worden. 2030 möchte die EU 10 % ihrer benötigten Rohstoffe im EU-Gebiet selbst extrahieren. Dabei sollen auch nicht mehr als 65 % eines Stoffes aus einem einzelnen Lieferland kommen. Dass hiermit das Ziel gemeint ist, Chinas Einfluss zukünftig zurückdrängen zu wollen, ist offensichtlich. Trotzdem erscheinen die Zielwerte eher bescheiden und zeugen davon, dass die EU auch zukünftig stark importabhängig bleiben wird. Andere wichtige Stellschrauben sind Effizienz in der Herstellung sowie Materialrecycling . In der deutschen Aluminiumbranche werden 53 % wiederverwertet, während 38 % des Kupfers als sogenannter sekundärer Rohstoff recyclelt wird. Recycling ist hierbei nicht rein aus wirtschaftlicher, sondern auch aus umweltpolitischer Sicht sinnvoll. Doch Recycling birgt große technische Herausforderungen. Durch chemische Prozesse bei der Produktion sind Rohstoffe oft miteinander verbunden und müssen in aufwendigen Prozessen wieder „sortenrein“ getrennt werden. So werden beispielsweise Seltene Erden aufgrund ihrer stofflichen Vermischung in weniger als einem Prozent der Fälle wiederverwertet. Insgesamt liegt die EU derzeit beim Recycling von Batterien zurück. Während 2018 in China rund 70 % der Batteriezellen recyclelt werden konnten, lag der Wert in der EU bei unter 5 %. China hat bisher mehr als die EU auf der Standardisierung von Batterien bestanden. Da Hersteller in Europa oft unterschiedliche Pack- und Herstellungsverfahren verwenden, ist die Wiederverwendung von Batterien schwierig. Recycling richtet sich auch nach Wirtschaftlichkeit aus. Der Kobaltgehalt in handelsüblichen Akkus, der einen wesentlichen Teil des Werts ausmacht, ist deutlich geringer als vor wenigen Jahrzehnten. Daher sinkt auch der Anreiz, die Batterien wieder zu recyclen. Insgesamt variiert also die Recyclingquote zwischen unterschiedlichen Stoffen erheblich, teilweise aus praktischen, oft aus wirtschaftlichen Erwägungen. Dass es auch kreative Wege aus der Rohstoffknappheit geben kann, beweist ein Beispiel aus dem Leipziger BMW-Werk, wo das E-Auto BMW i3 gefertigt wird. Hier sind rund 700 alte i3-Batterien zusammengeschaltet, die Strom aus erneuerbaren Energien für die dortige Produktion speichern. Die Autobatterien, die hierfür zur Verwendung kommen, laufen noch auf 70 bis 80 % ihrer ursprünglichen Kapazität.

Konsumverschiebungen: Zukunftstechnologien und Konzernverantwortung

Wenn sich Technologien und die globale Nachfrage nach Produkten ändern, dann verschiebt sich im Hintergrund der Bedarf nach Rohstoffen. Beispielsweise wurde nach 1993 kein Asbest mehr nach Deutschland importiert, da der Stoff, der lange im Baugewerbe zum Einsatz gekommen war, laut Gefahrenstoffverordnung verboten wurde. Heute soll immer genauer abgeschätzt werden, welches die Zukunftstechnologien von morgen sein könnten. Dabei hilft in Deutschland die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Expertise zu sammeln und Nachfragetrends abzuschätzen. Ein besonders wichtiger Terminus ist hierbei die „Kritikalität“, also die Frage, wie kritisch die Versorgung mit einzelnen Rohstoffen ist, deren Lieferausfall eine existentielle Krise auslösen würde. Hierzu werden in Echtzeit Analysen für die Wirtschaft bereitgestellt, damit sie auf mögliche Ausfallrisiken und Investitionschancen reagieren kann. Bei potenziellen Ausfallrisiken ist die Politik in Deutschland im Wesentlichen auf die Privatwirtschaft angewiesen. Die Ausbeutung von Ressourcen wird gerade in Deutschland als marktwirtschaftliches Betätigungsfeld gesehen. Unternehmen werden durch Bürgschaften und Ausfallgarantien bei ihren Aktivitäten unterstützt, gleichzeitig werden keine staatseigenen Unternehmen gegründet. Allerdings gibt es immer mehr Gesetze mit direkten Implikationen für die Ressourcenwirtschaft wie das Lieferkettengesetz, das die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang von Lieferketten rechtlich bindend macht.

Umweltrisiken und das Trittbrettfahrerproblem

Neben wirtschaftlichen und verteilungspolitischen Aspekten gibt es auch offensichtliche umweltpolitische Implikationen von Ressourcennutzung und -ausbeutung. Nach Angaben des „International Resource Panels“ der Vereinten Nationen wird sich der globale Ressourcenverbrauch bis 2050 im Vergleich zu heute nochmals verdoppeln. Besonders kritisch ist, dass nach heutigen Trends auch die Ausbeutung von fossilen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Gas weiter voranschreiten wird. In diesem Zuge wird in Zukunft notwendigerweise mehr Erde umgegraben, als es heute der Fall ist. Technologie-Optimisten sehen eher eine Chance in dieser Entwicklung. Zukünftig steigender Konsum von Rohstoffen würde Unternehmen dazu anhalten, neue Technologien zu entwickeln, die effizienter und damit umweltschonender Ressourcen ausbeuten und verarbeiten. Die Hoffnung ist – ähnlich wie bei der Zielsetzung der Nettonullemissionen in der Klimapolitik –, dass sich Produktion und Umweltverschmutzung entkoppeln lassen. Das Paradigma, dass sich hinter dieser Vorstellung verbirgt, ist das grüne Wachstum. Kurz gesagt beschreibt grünes Wachstum eine Form der wirtschaftlichen Expansion, die weniger die Umwelt belastet als herkömmliche Formen des industriellen Wachstums. Produktionsprozesse sollen hierbei so ausgestaltet sein, dass bei höherer Produktion weniger Verschmutzung entsteht. Bestehende gewinnorientierte Wirtschaftslogiken stellt das grüne Wachstum nicht in Frage. Aus Studien geht hervor, dass sich Umweltverschmutzung und wirtschaftliches Wachstum zwar teilweise, aber keineswegs vollkommen entkoppeln lassen (Hickel/Kallis 2019). Grünes Wachstum ist auch deshalb ein tückisches Konzept, da Effizienzgewinne zu Gunsten der Umwelt häufig durch die schiere Menge der Ausbeutung zunichte gemacht werden. Dieses Phänomen nennt sich Rebound-Effekt.

Steuerungsmechanismen

Wie in anderen globalen Politikfeldern fehlt auch in der Rohstoffpolitik ein zentraler Steuerungsmechanismus. In der internationalen Politik sind Staaten innerhalb ihres Staatsgebiets souverän und frei das zu tun, was sie für richtig halten. Das Bemühen eines Staates, der sich in besonderer Weise durch strengen Ressourcenschutz auszeichnet, kann so durch ein Land mit ungehemmter Ressourcenausbeutung zunichte gemacht werden. Global gesehen gibt es hierbei sehr verschiedene Ansätze, mit ungleich verteilten Ressourcen umzugehen. Anders als in anderen Ländern gibt es etwa in Japan eine umfassende Ressourcenstrategie. Wesentliches Merkmal von Japans Umgang mit Ressourcen ist, dass sich schon seit nunmehr über 20 Jahren über einen schonenderen Umgang mit Ressourcen Gedanken gemacht wird. Dies findet Ausdruck im Grundplan zur Umsetzung einer materialschonenden Gesellschaft, der bereits 2001 aufgelegt wurde. Sein primäres Ziel ist die Steigerung der Ressourcenproduktivität: Mit weniger Materialeinsatz soll größerer Output generiert werden. Aufgrund sehr großer Importabhängigkeit bei Ressourcen wie Eisenerz oder Kohle und bisher niedriger Ambition beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern war Japans Weg bisher nicht sehr erfolgreich in Sachen Emissionsreduzierung. In einer vergleichenden Studie des Bundesumweltamts, das die Ressourcenprogramme von zwölf Ländern zwischen 2019 und 2022 untereinander in Beziehung setzt, zeigt sich, dass alle Länder mit Ausnahme von Indonesien im Untersuchungszeitraum Aktionspläne verfasst haben. Dabei setzt Ruanda mehr als andere Länder auf Verbote. Hier wurde der Gebrauch von Einwegplastik 2019 untersagt. Die USA setzt in ihren Bemühungen auf Freiwilligkeit und sieht von Recyclingquoten oder Beschaffungsrichtlinien ab. Damit lässt sich laut Bundesumweltamt auch der enorm hohe individuelle Fußabdruck in den USA erklären (Dittrich u. a. 2023). Der „New Green Deal“, den die Europäische Kommission als Aktionsplan vorgelegt hat, soll Europa eine globale Vorreiterrolle im Ressourcenschutz zusichern. Übergeordnetes Ziel dabei ist die Harmonisierung von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität bis 2050. Dieses Ziel soll damit erreicht werden, dass Emissionen gerade im Bereich Energie abgebaut werden. Erneuerbare Energien müssen nach Ansicht der EU Kohle als Energieträger flächendeckend ersetzen. Außerdem sollen energieintensive Industrien wie der Textilsektor oder die Stahlindustrie den Ressourcenverbrauch verringern. Die EU will diese Ziele auch offensiv als Teil seiner Außenpolitik vertreten.
Trotz zahlreicher Programme zum Recycling und zur Ressourceneffizienz sehen wir global gesehen einer Übernutzung von Ressourcen entgegen. Das liegt zum einen am Bauplan der Mehrzahl der Programme selbst. Sie nehmen nicht für sich in Anspruch, den absoluten Ressourcenverbrauch zu reduzieren, sondern setzen weiterhin auf Wachstum. Diesen Mechanismus zu durchbrechen fällt etablierten Institutionen wie der EU schwer. Auf der anderen Seite fällt trotz vielfacher Bekundungen zum Ende des fossilen Zeitalters auf, dass Öl- und Gasproduzenten nicht von ihrem Kerngeschäft abrücken. Vielmehr wird das globale Geschäft der fossilen Brennstoffwirtschaft ausgeweitet. Die „Global Oil and Gas Exit List“ (GOGEL), eine Datenbank, die 95 % der Öl- und Gasunternehmen umfasst, zeigt, dass fast alle dieser Unternehmen neue Explorationen für die Zukunft vorbereiten. Zwischen 2021 und Ende 2023 wurden laut GOGEL-Datenbank insgesamt mindestens 170 Milliarden US-Dollar für die Exploration für neue Öl und Gasförderungen ausgegeben. Die verwendeten Verfahren werden hierbei nach Berichten der Naturschutzorganisation Urgewald immer extremer, da die Förderung zusehends in schützenswerten Gebieten oder mit höchst umweltschädlichen Technologien wie Fracking stattfindet. Obwohl der Zusammenhang zwischen fossilen Energieträgern und Klimaerwärmung hinlänglich bekannt ist, sind die meisten Kreditinstitute und Pensionsfonds weiterhin an der Finanzierung von Öl- und Gasförderung beteiligt. Die derzeitig geplanten Ölund Gasprojekte widerlegen den Fortschrittsoptimismus, demzufolge technologische Innovationen dafür sorgen, dass Extraktion immer effizienter stattfindet. Megaminen in Südamerika produzieren im Jahr bis zu vierzig Mal so viel Abfälle wie dortige Metropolen (Arboleda 2020). Diese Entwicklungen wurden unter Verweis auf die Forschung der planetaren Grenzen in den letzten Jahren problematisiert. Der Forschungsstrang der planetaren Grenzen verweist auf die Belastungskapazität einzelner Ökosysteme, deren Zerstörung die Menschheit gefährdet. Inzwischen sind sechs der neun beforschten Ökosystemgrenzen überschritten, die Ursache dafür ist auch in der Funktionsweise der globalen Ressourcenpolitik zu suchen. Die zerstörerischen Tendenzen der Ressourcenpolitik erfahren in den letzten Jahren aber auch immer größere Proteste.

Soziale Bewegungen: Straßenprotest oder Blockade?

Soziale Bewegungen haben in der jüngsten Vergangenheit das Politikfeld der Ressourcenpolitik nachhaltig geprägt. Im Jahr 2019 hat „Fridays for Future“ es in Deutschland geschafft, wesentliche Aufmerksamkeit auf die Umwelt- und Ressourcenpolitik zu lenken. Besonderer Fokus war hierbei die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Damit geriet unweigerlich die fossile Wirtschaft in den Blick, die für ein Großteil der deutschen Emissionen verantwortlich ist. Der Kohleausstieg sollte nach Ansicht von „Fridays for Future“ deutlich nach vorne verschoben werden. Die Protestformen der Bewegung blieben dabei auf Straßenprotest und Öffentlichkeitsarbeit beschränkt. Mit deutlich weniger Teilnehmenden, aber mit radikaleren Protestformen, tauchten andere Bewegungen auf, die mit Blockaden auf das Ende der Kohleförderung hinwirken wollen. Die Protestbewegung „Ende Gelände“ hat die fossile Brennstoffwirtschaft fest im Visier und mobilisiert regelmäßig zur Besetzung von Tagebaugebieten wie in der Lausitz. Zuletzt hat es die „Letzte Generation“ mit Aktionen des zivilen Ungehorsams geschafft, in der Öffentlichkeit Kontroversen auszulösen. Das sogenannte „Klimakleben“ löste viel Kritik an der Protestform aus und rief alte Debatten über die Notwendigkeit des Protests oder illegitime Grenzüberschreitung aus den 1980er Jahren wieder auf. Jürgen Habermas beispielsweise nannte zivilen Ungehorsam „Element einer reifen politischen Kultur“ (Habermas 2017). Konservative sahen schon damals im zivilen Ungehorsam eine Abkehr vom geordneten parlamentarischen Prozess und damit eine ungemäße Selbstermächtigung der Ungehorsamen. Diese diskursiven Abwehrmechanismen lassen sich auch heute erkennen, wenn Mitglieder der „Letzten Generation“ als „Klima-Chaoten“ verurteilt werden. Das Landgericht München sieht inzwischen den Tatbestand der „kriminellen Vereinigung“ bei der Bewertung der „Letzten Generation“ bestätigt. Dies ist allerdings keine rechtskräftige Einstufung und sie hat keine rechtlichen Folgen andernorts. Aber sie zeigt, dass die „Letzte Generation“ unter starker Beobachtung steht. Von der Aktionsform des „Klimaklebens“ hat sie vorerst Abstand genommen. Gerade scheint es, als ob der Umweltprotest-Zyklus in Deutschland zum Erliegen kommen könnte. Andere politische Themen wie Sicherheits-, Migrations- und Sparpolitik bestimmen die politische Agenda. Auch die erstarkende AfD setzt klimaskeptische Akzente und möchte industriepolitisch eine Kehrtwende schaffen. Die Belange der sozialen Bewegungen haben auch wegen der finanziellen Einsparungen der Bundesregierung in verschiedenen Politikfeldern weniger Durchschlagskraft.

Der Elefant im Raum

Schon E.T.A. Hoffmann verglich in seiner Erzählung aus dem Jahr 1819 „Die Bergwerke zu Falun“ das Hinabsteigen in Minenschächte mit Reisen in das Unterbewusste. Ressourcenpolitik ist ein häufig verdrängtes Politikfeld, das besonders bei globalen Lieferengpässen wieder ins Bewusstsein tritt. Die EMobilitätswende ist bereits im vollen Gange. Damit verschiebt sich auch die nachgefragte Rohstoffpalette, besonders nach China. Wie gezeigt, birgt das Politikfeld der Ressourcenpolitik einige Sprengkraft für das extrem importabhängige Deutschland und auch die gesamte Europäische Union. Käme es tatsächlich zu einer weiteren Verschärfung der sich abzeichnenden globalen Blockbildung, können Deutschland und die EU handelspolitisch extrem unter Druck gesetzt werden. Wie wahrscheinlich dieser Fall angesichts der enormen Kaufkraft und damit Attraktivität des EU-Binnenmarktes ist, bleibt abzuwarten. Aus umweltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen ist die Weiterentwicklung von Recyclingmethoden dringend nötig. Allerdings ist Recycling nicht für alle Stoffe gleich durchführbar. Mit einer Vereinheitlichung von Batterien und Anschlüssen bei technischen Endgeräten würde größere Wiederverwendbarkeit erreicht werden. Die EU bewegt sich in kleinen Schritten in diese Richtung. Die Umweltbelastung durch aktuelle Trends der Ressourcenwirtschaft wird sich absehbar weiter zuspitzen. Selbst grünes Wachstum wird die zerstörerischen Tendenzen des neuen Extraktivismus für die E-Mobilitätswende nicht aufhalten können. Die Wachstumslogik frisst auch bei nachhaltigerer Produktionsweise den Planeten sprichwörtlich auf (Finkeldey 2023). Diese Beobachtung lässt sich auch anhand des Erdüberlastungstags (Earth Overshoot Day) nachvollziehen, der den Tag beschreibt, an dem alle Ressourcen, die in einem Jahr nachwachsen können, verbraucht sind. Im letzten Jahr fiel dieses Datum auf Anfang August. Zahlreiche Regierungsstrategien und Gesetze sowie Proteste zeigen, dass das Feld der Ressourcenpolitik immer weiter politisiert ist. Der Elefant im Raum bleibt die wirtschaftliche Prämisse des Wachstums, die das Politikfeld leitet.


Literatur

Arboleda, Martín 2020: Planetary Mine. Territories of Extraction under Late Capitalism. London/New York.

Deutsche Rohstoffagentur 2023: DERA-Rohstoffliste bei mineralischen Rohstoffen und Zwischenprodukten – potentielle Preis- und Lieferrisiken. Berlin.

Dittrich, Monika/Limberger, Sonja/Doppelmyr, Anja/ Bischoff, Mascha 2023: Monitoring internationale Ressourcenpolitik (MoniRess II). Dessau-Roßlau. 

Dorn, Florian/Flach, Lisandra/Fuest/Clemens, Scheckenhofer, Lisa 2022: Langfristige Effekte von Deglobalisierung und Handelskriegen auf die deutsche Wirtschaft. München. 

Finkeldey, Jasper 2023. Globale Ressourcenpolitik. Eine Einführung. Wiesbaden. 

Habermas, Jürgen 2017: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik. In: Braune, Andreas (Hg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy. Stuttgart. 

Hickel, Jason/Kallis, Giorgos 2019: Is Green Growth Possible? In: New Political Economy Nr. 25, S. 469–486.

Klare, Michael T. 2004: Blood and Oil: the Dangers and Consequences of America‘s Growing Petroleum Dependency. New York.
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