Ressourcenpolitik
Potenziale, Steuerungsmechanismen und Herausforderungen
Ressourcenpolitik ist ein häufig verdrängtes Politikfeld, das erst im Falle globaler
Lieferengpässe ins Bewusstsein tritt. Dabei ragen Konflikte und geopolitische
Spannungen in die Ressourcenpolitik hinein. Käme es tatsächlich zu einer weiteren
Verschärfung der globalen Blockbildung, würden Deutschland und die EU
handelspolitisch unter Druck geraten. Zahlreiche Akteure machen sich Gedanken,
wie die zukünftige Versorgung mit kritischen Ressourcen gewährleistet werden
kann. Wie in anderen globalen Politikfeldern fehlt aber auch in der Rohstoffpolitik
ein zentraler Steuerungsmechanismus. Die ungebremste Wachstumslogik frisst
auch bei nachhaltigerer Produktionsweise den Planeten sprichwörtlich auf.
Der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe war
neben seiner weltbekannten schriftstellerischen
Tätigkeit zeitweise auch für den Bergbau im Großherzogtum
Sachsen-Weimar-Eisenach zuständig. Er
arbeitete sich fleißig in das Thema ein und setzte
sich mit Nachdruck für die Wiederaufnahme des
Kupfer- und Silberabbaus im thüringischen Ilmenau
ein, wo der Einbruch von Wasser den Betrieb lange
verhinderte. Im Jahre 1784 nutzte er höchstpersönlich
die Spitzhacke, um das Bergwerk mitsamt dem
neuen Schacht Neuer Johannes wiederzueröffnen.
Das Unternehmen war nicht sehr erfolgreich, da es
wieder zu Wassereinbrüchen kam und 1796 sogar ein
Stollen einstürzte. Goethes Faszination für Bergwerke
tat das keinen Abbruch. Unerschrocken verbrachte
der passionierte Steinsammler für seine Gesteinsstudien
oft Stunden in Bergwerken wie der Zinnwalder
Grube in Ostsachsen, in die er immerhin 600 Meter
tief hinabstieg.
Mehr als zwei Jahrhunderte nach Goethe sucht nun
in Zinnwald das Bergbau-Unternehmen „Zinnwald
Lithium“ nach dem sogenannten „Weißen Gold“, das
in Batterien steckt und ein wesentlicher Bestandteil
der E-Mobilitätswende ist. In Zinnwald bemüht
man sich darum, den heimischen Bergbau, der in den
letzten Jahrzehnten in Deutschland zurückgefahren
wurde, wiederzubeleben. Denn bei kritischen Rohstoffen
ist Deutschland fast vollständig auf Importe
von außerhalb der Europäischen Union angewiesen. Die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Ausland
wird zunehmend als Problem empfunden, denn Lieferengpässe
bedrohen die Industrien.
Konfliktgefahr? Rohstoffabhängigkeit der
deutschen Wirtschaft
Je mehr die deutsche Wirtschaft zukünftig auf erneuerbare
Energien und E-Mobilität setzt, desto mehr
Rohstoffimporte wird Deutschland brauchen. Für die
heimische Kohle, die lange Zeit für einen Großteil der
Verstromung zuständig war, gibt es ein Ausstiegsdatum.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ging in
den letzten Jahren deutlich voran. Als Hochtechnologieland
benötigt die deutsche Wirtschaft große
Energiezufuhr und Materialien, die aus der ganzen
Welt geliefert werden. Die Deutsche Rohstoffagentur
schätzt, dass der Bedarf an Lithium bis 2040 um fast
600 % steigen könnte (DERA 2023). Auch der heimische
Lithiumabbau wie in Zinnwald wird den künftigen
Bedarf nicht stillen können. Hieraus ergeben sich
angesichts der angespannten politischen Weltlage
Probleme.
Der Sicherheitsforscher Michael T. Klare rief schon
vor rund zwei Jahrzehnten eine neue Ära der Ressourcenkriege
aus. Er rückte damit Blutvergießen und
Erdöl in einen engen Zusammenhang und sah den
Irak-Krieg als paradigmatischen Fall an, der sich im
Konflikt über andere kritische Ressourcen im 21. Jahrhundert
oft wiederholen könnte (Klare 2004). Wenn Klare damit recht hat, wird sich gerade die Konfrontation
mit China zuspitzen. Wer die Dynamiken globaler
Ressourcenpolitik verstehen will, muss sich daher vor
allen Dingen mit den Wirrungen internationaler Politik
beschäftigen. Zwar läuft Handel häufig auch in
Zeiten zwischenstaatlicher Konflikte weiter, doch gibt
es keine objektivierbaren Schwellenwerte dafür, ab
welchem Konfliktniveau Handelsbeziehungen eingestellt
werden. Deutschland fing zu Zeiten des Kalten
Krieges an mit der Sowjetunion mit Gas zu handeln.
Dieser Handelszyklus kam erst nach dem russischen
Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 ins Stocken. Allerdings
ist die Menge an verflüssigtem russischem
Gas, das in die EU eingeführt wird, in der ersten Hälfte
des Jahres 2023 sogar angestiegen. Handelspolitik
orientiert sich damit im Wesentlichen nicht am politisch
Wünschbaren, sondern an politischen Interessen,
die nicht strikt entlang menschenrechtlicher
oder ökologischer Leitlinien verlaufen. Embargos und
Lieferstopps sind eher die Ausnahme zu der Regel,
dass Handel ein beidseitiges Interesse widerspiegelt,
das häufig andere Interessen überwiegt.
Trotzdem ragen Konflikte und Geopolitik in die Ressourcenpolitik
hinein. Das weiß auch die Deutsche
Rohstoffagentur: 40 % der Bergwerksprodukte, die
nach Deutschland importiert werden, liegen inzwischen
in der höchsten Risikogruppe. Die höchste Risikogruppe
ist durch die jeweilige Marktkonzentration
eines Produkts und durch negative Governance-Indikatoren
des Lieferlandes definiert. Bei Raffinade-Produkten
liegen 69 % der Stoffe in der höchsten Risikogruppe,
die meisten davon stammen aus China. Auch
wenn es sich hierbei um ein Grob-Screening handelt,
zeigt sich, dass der Trend Richtung potenzieller Lieferrisiken
geht. Was würde beispielsweise passieren,
wenn China Taiwan überfällt? Würde ein Lieferstopp
ausgerufen? Einen kleinen Vorgeschmack lieferte die
chinesische Regierung selbst, die ab dem 1. August
2023 eine Exportlizenz für die mineralischen Rohstoffe
Gallium und Germanium vorschreibt.
Das damit verbundene potenzielle Szenario der
wirtschaftlichen Entkopplung von China und anderen autoritären Regimen wird daher immer offener zur
Diskussion gestellt. Das Institut für Wirtschaftsforschung
(ifo) rechnet vor, dass Deutschland rund 12 %
seines Außenhandelsvolumens verlieren würde, wenn
der Handel mit als autoritär eingestuften Ländern
zum Erliegen käme. Deutschland importiert 15 % seiner
Waren aus dieser Ländergruppe (Dorn u. a. 2022,
30 ff.). Das sogenannte „Friendshoring-Szenario“, bei
dem Deutschland künftig nur noch mit befreundeten Demokratien Handel betreiben würde, ließe das
deutsche Bruttoinlandsprodukt dauerhaft um 1,7 %
pro Jahr schrumpfen. Würde Deutschland lediglich
aufhören mit China Handel zu betreiben, würde das
BIP um 0,5 % schrumpfen. Einbußen müssten vor allen
Dingen das produzierende Gewerbe und der Dienstleistungssektor
hinnehmen. Der Agrarsektor hingegen
wäre laut ifo-Institut ein Gewinner unterschiedlicher
Deglobalisierungs-Maßnahmen. Insgesamt
werden die Kosten für die deutsche Wirtschaft durch
nach China hochgezogene Handelsbarrieren sechsmal
höher eingeschätzt als die Folgekosten des Brexit.
Im Fazit des ifo heißt es dann auch, dass China „in
der langen Frist nicht 1:1 zu ersetzen“ sei. Allerdings
würden bei einer langsamen Entkopplung die Folgekosten
„moderat“ ausfallen. Von der Erfahrung der
relativen Entflechtung der deutschen Wirtschaft von
russischen Importen wissen wir, dass sich der Wegfall
vormals wichtiger Handelspartner ökonomisch in der
Breite der Bevölkerung bemerkbar macht. Daher lassen
sich die Folgen nicht alleine auf das ökonomische
Zahlenwerk reduzieren. Ökonomische Stabilität ist
zumeist auch Garant für politische Stabilität. Wohlstandsverluste
mögen zwar kurzfristig auf äußere
Faktoren geschoben werden, führen aber langfristig
auf die politische Rutschbahn Richtung autoritärer
Herrschaft.
Ende der Abhängigkeit?
Recycling und andere kreative Lösungen
Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung drängt
daher auf weniger Abhängigkeit von einzelnen Rohstoffimporteuren.
Auch die Europäische Union macht sich vor dem Hintergrund potenzieller Lieferengpässe
Gedanken über die zukünftige Versorgung von kritischen
Ressourcen. Der „Critical Raw Materials Act“
aus dem Jahre 2023 ist ausdrücklich als Reaktion auf
mögliche Lieferprobleme aufgesetzt worden. 2030
möchte die EU 10 % ihrer benötigten Rohstoffe im
EU-Gebiet selbst extrahieren. Dabei sollen auch nicht
mehr als 65 % eines Stoffes aus einem einzelnen Lieferland
kommen. Dass hiermit das Ziel gemeint ist,
Chinas Einfluss zukünftig zurückdrängen zu wollen,
ist offensichtlich. Trotzdem erscheinen die Zielwerte
eher bescheiden und zeugen davon, dass die EU auch
zukünftig stark importabhängig bleiben wird.
Andere wichtige Stellschrauben sind Effizienz in
der Herstellung sowie Materialrecycling . In der deutschen
Aluminiumbranche werden 53 % wiederverwertet,
während 38 % des Kupfers als sogenannter
sekundärer Rohstoff recyclelt wird. Recycling ist hierbei
nicht rein aus wirtschaftlicher, sondern auch aus
umweltpolitischer Sicht sinnvoll. Doch Recycling birgt
große technische Herausforderungen. Durch chemische
Prozesse bei der Produktion sind Rohstoffe oft
miteinander verbunden und müssen in aufwendigen
Prozessen wieder „sortenrein“ getrennt werden. So
werden beispielsweise Seltene Erden aufgrund ihrer
stofflichen Vermischung in weniger als einem Prozent der Fälle wiederverwertet. Insgesamt liegt die EU derzeit
beim Recycling von Batterien zurück. Während
2018 in China rund 70 % der Batteriezellen recyclelt
werden konnten, lag der Wert in der EU bei unter 5 %.
China hat bisher mehr als die EU auf der Standardisierung
von Batterien bestanden. Da Hersteller in Europa
oft unterschiedliche Pack- und Herstellungsverfahren
verwenden, ist die Wiederverwendung von Batterien
schwierig.
Recycling richtet sich auch nach Wirtschaftlichkeit
aus. Der Kobaltgehalt in handelsüblichen Akkus, der
einen wesentlichen Teil des Werts ausmacht, ist deutlich
geringer als vor wenigen Jahrzehnten. Daher sinkt
auch der Anreiz, die Batterien wieder zu recyclen.
Insgesamt variiert also die Recyclingquote zwischen
unterschiedlichen Stoffen erheblich, teilweise aus
praktischen, oft aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Dass es auch kreative Wege aus der Rohstoffknappheit
geben kann, beweist ein Beispiel aus
dem Leipziger BMW-Werk, wo das E-Auto BMW i3
gefertigt wird. Hier sind rund 700 alte i3-Batterien
zusammengeschaltet, die Strom aus erneuerbaren
Energien für die dortige Produktion speichern. Die
Autobatterien, die hierfür zur Verwendung kommen,
laufen noch auf 70 bis 80 % ihrer ursprünglichen
Kapazität.
Konsumverschiebungen: Zukunftstechnologien
und Konzernverantwortung
Wenn sich Technologien und die globale Nachfrage
nach Produkten ändern, dann verschiebt sich im Hintergrund
der Bedarf nach Rohstoffen. Beispielsweise
wurde nach 1993 kein Asbest mehr nach Deutschland
importiert, da der Stoff, der lange im Baugewerbe
zum Einsatz gekommen war, laut Gefahrenstoffverordnung
verboten wurde. Heute soll immer genauer
abgeschätzt werden, welches die Zukunftstechnologien von morgen sein könnten. Dabei hilft in Deutschland
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, Expertise zu sammeln und Nachfragetrends
abzuschätzen. Ein besonders wichtiger Terminus
ist hierbei die „Kritikalität“, also die Frage, wie
kritisch die Versorgung mit einzelnen Rohstoffen ist,
deren Lieferausfall eine existentielle Krise auslösen
würde. Hierzu werden in Echtzeit Analysen für die
Wirtschaft bereitgestellt, damit sie auf mögliche Ausfallrisiken
und Investitionschancen reagieren kann.
Bei potenziellen Ausfallrisiken ist die Politik in
Deutschland im Wesentlichen auf die Privatwirtschaft
angewiesen. Die Ausbeutung von Ressourcen
wird gerade in Deutschland als marktwirtschaftliches
Betätigungsfeld gesehen. Unternehmen werden
durch Bürgschaften und Ausfallgarantien bei ihren
Aktivitäten unterstützt, gleichzeitig werden keine
staatseigenen Unternehmen gegründet. Allerdings
gibt es immer mehr Gesetze mit direkten Implikationen
für die Ressourcenwirtschaft wie das Lieferkettengesetz,
das die Einhaltung von Menschenrechten
und Umweltstandards entlang von Lieferketten
rechtlich bindend macht.
Umweltrisiken und das Trittbrettfahrerproblem
Neben wirtschaftlichen und verteilungspolitischen
Aspekten gibt es auch offensichtliche umweltpolitische
Implikationen von Ressourcennutzung und
-ausbeutung. Nach Angaben des „International Resource
Panels“ der Vereinten Nationen wird sich der
globale Ressourcenverbrauch bis 2050 im Vergleich zu heute nochmals verdoppeln. Besonders kritisch
ist, dass nach heutigen Trends auch die Ausbeutung
von fossilen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Gas weiter
voranschreiten wird. In diesem Zuge wird in Zukunft
notwendigerweise mehr Erde umgegraben, als es
heute der Fall ist.
Technologie-Optimisten sehen eher eine Chance
in dieser Entwicklung. Zukünftig steigender Konsum
von Rohstoffen würde Unternehmen dazu anhalten,
neue Technologien zu entwickeln, die effizienter
und damit umweltschonender Ressourcen ausbeuten
und verarbeiten. Die Hoffnung ist – ähnlich wie
bei der Zielsetzung der Nettonullemissionen in der
Klimapolitik –, dass sich Produktion und Umweltverschmutzung
entkoppeln lassen. Das Paradigma, dass
sich hinter dieser Vorstellung verbirgt, ist das grüne
Wachstum. Kurz gesagt beschreibt grünes Wachstum
eine Form der wirtschaftlichen Expansion, die weniger
die Umwelt belastet als herkömmliche Formen des
industriellen Wachstums. Produktionsprozesse sollen
hierbei so ausgestaltet sein, dass bei höherer Produktion
weniger Verschmutzung entsteht. Bestehende
gewinnorientierte Wirtschaftslogiken stellt das grüne
Wachstum nicht in Frage. Aus Studien geht hervor,
dass sich Umweltverschmutzung und wirtschaftliches
Wachstum zwar teilweise, aber keineswegs vollkommen
entkoppeln lassen (Hickel/Kallis 2019). Grünes
Wachstum ist auch deshalb ein tückisches Konzept, da
Effizienzgewinne zu Gunsten der Umwelt häufig durch
die schiere Menge der Ausbeutung zunichte gemacht
werden. Dieses Phänomen nennt sich Rebound-Effekt.
Steuerungsmechanismen
Wie in anderen globalen Politikfeldern fehlt auch in
der Rohstoffpolitik ein zentraler Steuerungsmechanismus.
In der internationalen Politik sind Staaten
innerhalb ihres Staatsgebiets souverän und frei das
zu tun, was sie für richtig halten. Das Bemühen eines
Staates, der sich in besonderer Weise durch strengen
Ressourcenschutz auszeichnet, kann so durch
ein Land mit ungehemmter Ressourcenausbeutung
zunichte gemacht werden. Global gesehen gibt es
hierbei sehr verschiedene Ansätze, mit ungleich verteilten
Ressourcen umzugehen. Anders als in anderen
Ländern gibt es etwa in Japan eine umfassende
Ressourcenstrategie. Wesentliches Merkmal von Japans
Umgang mit Ressourcen ist, dass sich schon seit
nunmehr über 20 Jahren über einen schonenderen
Umgang mit Ressourcen Gedanken gemacht wird. Dies findet Ausdruck im Grundplan zur Umsetzung
einer materialschonenden Gesellschaft, der bereits
2001 aufgelegt wurde. Sein primäres Ziel ist die Steigerung
der Ressourcenproduktivität: Mit weniger Materialeinsatz
soll größerer Output generiert werden.
Aufgrund sehr großer Importabhängigkeit bei Ressourcen
wie Eisenerz oder Kohle und bisher niedriger
Ambition beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern
war Japans Weg bisher nicht sehr erfolgreich in Sachen
Emissionsreduzierung.
In einer vergleichenden Studie des Bundesumweltamts,
das die Ressourcenprogramme von zwölf Ländern
zwischen 2019 und 2022 untereinander in Beziehung
setzt, zeigt sich, dass alle Länder mit Ausnahme
von Indonesien im Untersuchungszeitraum Aktionspläne
verfasst haben. Dabei setzt Ruanda mehr als
andere Länder auf Verbote. Hier wurde der Gebrauch
von Einwegplastik 2019 untersagt. Die USA setzt in ihren Bemühungen auf Freiwilligkeit und sieht von
Recyclingquoten oder Beschaffungsrichtlinien ab. Damit
lässt sich laut Bundesumweltamt auch der enorm
hohe individuelle Fußabdruck in den USA erklären
(Dittrich u. a. 2023).
Der „New Green Deal“, den die Europäische Kommission
als Aktionsplan vorgelegt hat, soll Europa
eine globale Vorreiterrolle im Ressourcenschutz zusichern.
Übergeordnetes Ziel dabei ist die Harmonisierung
von Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität
bis 2050. Dieses Ziel soll damit erreicht werden, dass
Emissionen gerade im Bereich Energie abgebaut werden.
Erneuerbare Energien müssen nach Ansicht der
EU Kohle als Energieträger flächendeckend ersetzen.
Außerdem sollen energieintensive Industrien wie der
Textilsektor oder die Stahlindustrie den Ressourcenverbrauch
verringern. Die EU will diese Ziele auch offensiv
als Teil seiner Außenpolitik vertreten.
Trotz zahlreicher Programme zum Recycling und
zur Ressourceneffizienz sehen wir global gesehen einer
Übernutzung von Ressourcen entgegen. Das liegt
zum einen am Bauplan der Mehrzahl der Programme
selbst. Sie nehmen nicht für sich in Anspruch,
den absoluten Ressourcenverbrauch zu reduzieren,
sondern setzen weiterhin auf Wachstum. Diesen
Mechanismus zu durchbrechen fällt etablierten Institutionen
wie der EU schwer. Auf der anderen Seite
fällt trotz vielfacher Bekundungen zum Ende des
fossilen Zeitalters auf, dass Öl- und Gasproduzenten
nicht von ihrem Kerngeschäft abrücken. Vielmehr
wird das globale Geschäft der fossilen Brennstoffwirtschaft
ausgeweitet. Die „Global Oil and Gas Exit
List“ (GOGEL), eine Datenbank, die 95 % der Öl- und
Gasunternehmen umfasst, zeigt, dass fast alle dieser
Unternehmen neue Explorationen für die Zukunft
vorbereiten. Zwischen 2021 und Ende 2023 wurden
laut GOGEL-Datenbank insgesamt mindestens 170
Milliarden US-Dollar für die Exploration für neue Öl
und Gasförderungen ausgegeben. Die verwendeten
Verfahren werden hierbei nach Berichten der Naturschutzorganisation
Urgewald immer extremer, da die
Förderung zusehends in schützenswerten Gebieten
oder mit höchst umweltschädlichen Technologien
wie Fracking stattfindet.
Obwohl der Zusammenhang zwischen fossilen
Energieträgern und Klimaerwärmung hinlänglich bekannt
ist, sind die meisten Kreditinstitute und Pensionsfonds
weiterhin an der Finanzierung von Öl- und
Gasförderung beteiligt. Die derzeitig geplanten Ölund
Gasprojekte widerlegen den Fortschrittsoptimismus,
demzufolge technologische Innovationen dafür
sorgen, dass Extraktion immer effizienter stattfindet.
Megaminen in Südamerika produzieren im Jahr bis zu
vierzig Mal so viel Abfälle wie dortige Metropolen (Arboleda
2020). Diese Entwicklungen wurden unter Verweis
auf die Forschung der planetaren Grenzen in den
letzten Jahren problematisiert. Der Forschungsstrang der planetaren Grenzen verweist auf die Belastungskapazität
einzelner Ökosysteme, deren Zerstörung
die Menschheit gefährdet. Inzwischen sind sechs der
neun beforschten Ökosystemgrenzen überschritten,
die Ursache dafür ist auch in der Funktionsweise der
globalen Ressourcenpolitik zu suchen. Die zerstörerischen
Tendenzen der Ressourcenpolitik erfahren in
den letzten Jahren aber auch immer größere Proteste.
Soziale Bewegungen:
Straßenprotest oder Blockade?
Soziale Bewegungen haben in der jüngsten Vergangenheit
das Politikfeld der Ressourcenpolitik nachhaltig
geprägt. Im Jahr 2019 hat „Fridays for Future“
es in Deutschland geschafft, wesentliche Aufmerksamkeit
auf die Umwelt- und Ressourcenpolitik zu
lenken. Besonderer Fokus war hierbei die Einhaltung
der Pariser Klimaziele. Damit geriet unweigerlich die
fossile Wirtschaft in den Blick, die für ein Großteil
der deutschen Emissionen verantwortlich ist. Der
Kohleausstieg sollte nach Ansicht von „Fridays for
Future“ deutlich nach vorne verschoben werden. Die
Protestformen der Bewegung blieben dabei auf Straßenprotest
und Öffentlichkeitsarbeit beschränkt. Mit
deutlich weniger Teilnehmenden, aber mit radikaleren
Protestformen, tauchten andere Bewegungen
auf, die mit Blockaden auf das Ende der Kohleförderung
hinwirken wollen. Die Protestbewegung „Ende
Gelände“ hat die fossile Brennstoffwirtschaft fest im
Visier und mobilisiert regelmäßig zur Besetzung von
Tagebaugebieten wie in der Lausitz. Zuletzt hat es die
„Letzte Generation“ mit Aktionen des zivilen Ungehorsams
geschafft, in der Öffentlichkeit Kontroversen
auszulösen. Das sogenannte „Klimakleben“ löste
viel Kritik an der Protestform aus und rief alte Debatten
über die Notwendigkeit des Protests oder illegitime
Grenzüberschreitung aus den 1980er Jahren
wieder auf. Jürgen Habermas beispielsweise nannte
zivilen Ungehorsam „Element einer reifen politischen
Kultur“ (Habermas 2017). Konservative sahen schon
damals im zivilen Ungehorsam eine Abkehr vom geordneten
parlamentarischen Prozess und damit eine
ungemäße Selbstermächtigung der Ungehorsamen.
Diese diskursiven Abwehrmechanismen lassen sich
auch heute erkennen, wenn Mitglieder der „Letzten
Generation“ als „Klima-Chaoten“ verurteilt werden.
Das Landgericht München sieht inzwischen den Tatbestand
der „kriminellen Vereinigung“ bei der Bewertung
der „Letzten Generation“ bestätigt. Dies ist allerdings keine rechtskräftige Einstufung und sie hat
keine rechtlichen Folgen andernorts. Aber sie zeigt,
dass die „Letzte Generation“ unter starker Beobachtung
steht. Von der Aktionsform des „Klimaklebens“
hat sie vorerst Abstand genommen.
Gerade scheint es, als ob der Umweltprotest-Zyklus
in Deutschland zum Erliegen kommen könnte. Andere
politische Themen wie Sicherheits-, Migrations- und
Sparpolitik bestimmen die politische Agenda. Auch
die erstarkende AfD setzt klimaskeptische Akzente
und möchte industriepolitisch eine Kehrtwende
schaffen. Die Belange der sozialen Bewegungen haben
auch wegen der finanziellen Einsparungen der
Bundesregierung in verschiedenen Politikfeldern weniger
Durchschlagskraft.
Der Elefant im Raum
Schon E.T.A. Hoffmann verglich in seiner Erzählung
aus dem Jahr 1819 „Die Bergwerke zu Falun“ das
Hinabsteigen in Minenschächte mit Reisen in das
Unterbewusste. Ressourcenpolitik ist ein häufig
verdrängtes Politikfeld, das besonders bei globalen
Lieferengpässen wieder ins Bewusstsein tritt. Die EMobilitätswende
ist bereits im vollen Gange. Damit
verschiebt sich auch die nachgefragte Rohstoffpalette,
besonders nach China. Wie gezeigt, birgt das Politikfeld
der Ressourcenpolitik einige Sprengkraft für
das extrem importabhängige Deutschland und auch
die gesamte Europäische Union. Käme es tatsächlich
zu einer weiteren Verschärfung der sich abzeichnenden
globalen Blockbildung, können Deutschland und
die EU handelspolitisch extrem unter Druck gesetzt
werden. Wie wahrscheinlich dieser Fall angesichts
der enormen Kaufkraft und damit Attraktivität des
EU-Binnenmarktes ist, bleibt abzuwarten.
Aus umweltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen
ist die Weiterentwicklung von Recyclingmethoden
dringend nötig. Allerdings ist Recycling nicht für
alle Stoffe gleich durchführbar. Mit einer Vereinheitlichung
von Batterien und Anschlüssen bei technischen
Endgeräten würde größere Wiederverwendbarkeit
erreicht werden. Die EU bewegt sich in kleinen Schritten
in diese Richtung. Die Umweltbelastung durch
aktuelle Trends der Ressourcenwirtschaft wird sich
absehbar weiter zuspitzen. Selbst grünes Wachstum
wird die zerstörerischen Tendenzen des neuen
Extraktivismus für die E-Mobilitätswende nicht
aufhalten können. Die Wachstumslogik frisst auch
bei nachhaltigerer Produktionsweise den Planeten sprichwörtlich auf (Finkeldey 2023). Diese Beobachtung
lässt sich auch anhand des Erdüberlastungstags
(Earth Overshoot Day) nachvollziehen, der den Tag
beschreibt, an dem alle Ressourcen, die in einem Jahr
nachwachsen können, verbraucht sind. Im letzten
Jahr fiel dieses Datum auf Anfang August. Zahlreiche
Regierungsstrategien und Gesetze sowie Proteste
zeigen, dass das Feld der Ressourcenpolitik immer
weiter politisiert ist. Der Elefant im Raum bleibt die
wirtschaftliche Prämisse des Wachstums, die das Politikfeld
leitet.
Literatur
Arboleda, Martín 2020: Planetary Mine. Territories of
Extraction under Late Capitalism. London/New York.
Deutsche Rohstoffagentur 2023: DERA-Rohstoffliste bei
mineralischen Rohstoffen und Zwischenprodukten –
potentielle Preis- und Lieferrisiken. Berlin.
Dittrich, Monika/Limberger, Sonja/Doppelmyr, Anja/
Bischoff, Mascha 2023: Monitoring internationale
Ressourcenpolitik (MoniRess II). Dessau-Roßlau.
Dorn, Florian/Flach, Lisandra/Fuest/Clemens, Scheckenhofer,
Lisa 2022: Langfristige Effekte von Deglobalisierung
und Handelskriegen auf die deutsche Wirtschaft.
München.
Finkeldey, Jasper 2023. Globale Ressourcenpolitik. Eine
Einführung. Wiesbaden.
Habermas, Jürgen 2017: Ziviler Ungehorsam – Testfall für
den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären
Legalismus in der Bundesrepublik. In: Braune, Andreas
(Hg.): Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy.
Stuttgart.
Hickel, Jason/Kallis, Giorgos 2019: Is Green Growth
Possible? In: New Political Economy Nr. 25, S. 469–486.
Klare, Michael T. 2004: Blood and Oil: the Dangers and
Consequences of America‘s Growing Petroleum Dependency.
New York.