Autorin

Dr. Juliane Hammermeister ist Ober­studienrätin und arbeitet an einer Integrierten Gesamt­schule und einem Oberstufengymnasium in Frankfurt am Main (Ernst-Reuter-Schule I und II).

Sinnbilder und Alltagsverstand in der politischen Bildung

In der politischen Bildung eröffnet die Konzeption der Sinnbilder interessante Perspektiven. Sie hat fachdidaktische Potenziale, aber auch deutliche Limitationen. Diese können durch ein hegemonietheoretisches Verständnis des Alltagsverstands überwunden werden.

Einleitung: Schlaglichter auf das Thema Angst


Der Begriff der Angst scheint in den sozialwissenschaftlichen Zeitdiagnosen und den politischen Feuilletons allgegenwärtig. Es könne, so der Soziologe Heinz Bude in seiner Analyse zur „Gesellschaft der Angst“, von einem kontinuierlich steigenden Angstpotenzial gesprochen werden. Trotz ihrer Diffusität und Eigendynamiken würden öffentlich thematisierte Ängste auch etwas über eine bestimmte sozialhistorische Situation aussagen (vgl. Bude 2014). Im Feuilleton der „Zeit“ behauptet die Schriftstellerin Thea Dorn in einer Gleichsetzung von Angst und Furcht, dass in Deutschland mit dem Gefühl der Angst Politik gemacht werde, was nicht zuletzt ein Resultat der fürchterlichen Vergangenheit sei (vgl. Dorn 2022). Und schließlich diagnostiziert der Sozialwissenschaftler Max Dehne einen grundlegenden Widerspruch zwischen der Bedeutung von Angst in medialen und politischen Diskursen und soziologischen Zeitdiagnosen einerseits und der mangelnden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem soziologischen Untersuchungsgegenstand Angst andererseits (vgl. Dehne 2017).
Der von Dehne problematisierte Widerspruch zwischen der Allgegenwart des Begriffes Angst und der fehlenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Begriff als eigenständigem Untersuchungsgegenstand muss m. E. auch für die politische Bildung und ihre Didaktik konstatiert werden. Systematische politikdidaktische Auseinandersetzungen mit dem Thema Angst fehlen in der politischen Bildung. In der Politikdidaktik taucht der Begriff der Angst – wenn überhaupt – im Kontext von Bewusstseinsbildung, Orientierungslosigkeit, Emotionen, Transformation etc. auf. Primär geht es dabei um die Schwierigkeit, die Dynamiken gesellschaftlichen Wandels zu begreifen. Angst wird vielfach als individuelle oder kollektive Reaktion auf Veränderungen gesehen. Gleichwohl spielt der Begriff in diesen Kontexten keine prominente Rolle. Mit Blick auf Bewusstseinsbildungen, Orientierungen oder politische Einstellungen hat jedoch der Begriff der Sinnbilder in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Was dies bedeutet, wird in diesem Beitrag aus einer lerntheoretischen und politikdidaktischen Perspektive diskutiert. Der Analysefokus richtet sich auf die Frage, wie subjektorientierte Lernprozesse in einer Gesellschaft strukturiert werden können, die durch spezifische soziale Verhältnisse geprägt ist.
Die folgenden Ausführungen gehen auf eine umfangreichere Untersuchung zurück, der vor allem ein hegemonietheoretisches Erkenntnisinteresse zugrunde liegt (vgl. Hammermeister 2023). Der gewählte Zugang zur Kritik der Sinnbilder ist in der Tradition der Kritischen Theorie, vor allem aber in…

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