Der Autor

Prof. Dr. Frank Decker lehrt Politische Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist Wissenschaftlicher Leiter der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP).

Vertrauen in die Politik und gesellschaftlicher Zusammenhalt in schwierigen Zeiten

Die Demokratiezufriedenheit in Deutschland ist trotz eines kritischen Expertendiskurses erstaunlich stabil, allerdings auf niedrigem Niveau. Zugleich gibt es Tendenzen, die für die Stabilität der Demokratie potenziell bedrohlich sind. Alarmierende Ergebnisse einer empirischen Studie.


Krise der Demokratie? Schenkt man vielen der in den letzten Jahren erschienenen Büchern Glauben (z.B. Levitsky/Ziblatt 2018), befindet sich die Demokratie heute in großer, vielleicht sogar existenzbedrohender Not. Anhand der bekannten Demokratieindizes (Freedom House, Vanhanen, Varieties of Democracies) ist eine „Rückschrittswelle“ seit den 2000er Jahren tatsächlich belegbar. Den Vertretern der Krisenthese zufolge handelt es sich dabei um keine vorübergehende Delle, sondern um einen länger anhaltenden Trend. Mit denselben Daten ließen sich die regressiven Tendenzen auch in manchen altehrwürdigen Demokratien feststellen, „die sich in der Vergangenheit autokratischen Versuchungen gegenüber als resilient erwiesen hatten“ (Schäfer/Zürn 2021, 59).

Während die Demokratieindizes auf Expertenbefragungen beruhen, beziehen sich andere Krisendiagnosen auf Bevölkerungsumfragen, die eine wachsende Unzufriedenheit mit der Demokratie und einen Vertrauensschwund vieler Bürger*innen in deren Institutionen und Akteure signalisierten. Diese Bürger erfahren einerseits wirtschaftliche Einbußen, die sie von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung abkoppeln. Andererseits fühlen sie sich auch in kultureller Hinsicht auf der Verliererseite, weil sie die Tendenzen der Singularisierung und multikulturellen Vielfalt, die die heutige Gesellschaft kennzeichnet, verstörend finden, ihnen jedenfalls nicht nur Gutes abgewinnen (Reckwitz 2016). Offen bleibt, wie die wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren zusammenwirken und was in der Erklärung am Ende überwiegt. Nachdem die Populismusforschung lange Zeit der Kulturthese anhing, zeichnet sich seit einigen Jahren eine Hinwendung zu sozioökonomischen oder integrativen Ansätzen ab (vgl. z.B. Manow 2018). Gleichzeitig werden auch Veränderungen auf der politischen „Angebotsseite“ stärker hervorgehoben. Eine Schlüsselrolle spielt hier etwa das Mediensystem.


Die Studie
Letzeres verweist darauf, dass die Input-Legitimation, also die Zufriedenheit der Bürger mit den politischen Institutionen und Akteuren, nicht nur als abgeleitete Variable der an den Leistungen der Politik festgemachten Output-Legitimation betrachtet werden kann, sondern für die Ausbildung und Aufrechterhaltung von Vertrauen eigenständige Bedeutung gewinnt. Entsprechend breiten Raum nimmt sie in der Befragung ein, die wir im Sommer 2022 für die Friedrich-Ebert-Stiftung und in Zusammenarbeit mit dem Berliner Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap durchgeführt haben (Best u.a. 2023). Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2.536 per Zufallsstichprobe…

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