Autor

Dr. Thomas Barth ist wissenschaftlicher Geschäftsführer am Institut für Sozialforschung, Frankfurt am Main.

Vom Umweltschutz zur sozial-ökologischen Transformation

Eine sozial-ökologische Transformation scheint unausweichlich. Angesichts des ungebremsten Fortwirkens zerstörerischer Naturverhältnisse ist ein Weiter-so keine Option mehr. Diese Einsicht wird inzwischen breit geteilt. Sie hat sich auch in umfangreichen politisch-rechtlichen Regulierungen, wirtschaftlich-technischen Entwicklungen und geänderten Alltagspraktiken niedergeschlagen. Doch die Problemlagen sind komplex, die Zeit knapp, die zu verteilenden Kosten enorm, der Ausgang ungewiss. Was verbirgt sich hinter dem Begriff der sozial-ökologischen Transformation und wie ist der Stand auf dem Weg dahin?

Klimakrise und multiple Krisenlagen
Obwohl bekannt ist, dass die ökologische Krise letztlich ein multiples Krisengeflecht darstellt, ist der menschengemachte Klimawandel derzeit das prominente ökologische Problem. Er wird als Knotenpunkt in diesem Krisengeflecht von teils bereits überschrittenen planetaren Grenzen (wie zum Beispiel bei Landnutzung, Nährstoffströmen, Biodiversität) und somit als Existenzfrage der Menschheit überhaupt begriffen. Es ist kein apokalyptisches Bedrohungsszenario einer Öko-Sekte, sondern wissenschaftlich fundiert, dass für große Teile der schon heute lebenden Weltbevölkerung – wenn eine sozial-ökologische Transformation nicht gelingt – die Folgen des Klimawandels katastrophal sein werden. Schon jetzt bedrohen Dürren und Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen die Existenz von Millionen von Menschen, deren Lebensraum zerstört und denen ihre Ernährungssicherheit entzogen wird. Laut dem Emissions Gap Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP 2022) liegt das im Jahre 2015 beim Pariser Klimagipfel vereinbarte Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, in weiter Ferne. Würden die bestehenden nationalen Klimaschutzpläne tatsächlich umgesetzt, was nach bisherigen Erfahrungen eine unrealistische Annahme sein dürfte, ist im Jahr 2100 stattdessen mit einem Temperaturanstieg von 2,8°C zu rechnen. Sollten die noch genauer zu erforschenden Kippunkte erreicht werden, ist zudem von einer deutlich beschleunigten Verschärfung des ökologischen Wandels auszugehen. Eine Erwärmung um 1,5°C wird nach aktuellen Schätzungen des IPCC sehr wahrscheinlich schon bis zum Jahr 2040 erreicht sein (IPCC 2023). Diese Schätzungen, die ja einem politisch abgestimmten Dokument entstammen, gelten einigen Wissenschaftler*innen noch als ausgesprochen konservativ. 

Vom erfolgreichen Umweltschutz zum Nachhaltigkeits-Paradigma
Trotz der begründeten Aussicht auf eine anhaltende katastrophische Entwicklung sind mit Blick auf die praktizierte Umweltpolitik, die seit Ende der 1960er Jahre explizit als solche verstanden wird, auch erhebliche Fortschritte zu konstatieren. Der Umweltschutz ist im Vergleich zu seinen Anfangsjahren heute etabliert und normalisier. In den ersten Kernbereichen, der vorwiegend lokalen Luft- und Wasserreinhaltung, sind Erfolge nicht von der Hand zu weisen. Die Effizienzgewinne durch technisch-wissenschaftliche Innovationen, die allgemeine Zustimmung zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die geteilte Sorge über den Klimawandel sind ungeachtet einiger, sich laut artikulierender Zweifler*innen der Klimakrise sichtbarer Ausdruck von gesellschaftlichen Anpassungsprozessen an die diagnostizierten ökologischen Bedrohungen. Von der unteren Naturschutzbehörde auf kommunaler Ebene bis zum zurückliegenden Klimagipfel 2022 im ägyptischen Scharm asch-Schaich mit ca. 20.000 Teilnehmenden aus über 190 Staaten, vom Beschluss der EU, ab 2035 keine neuen Verbrenner-Pkws mehr zuzulassen, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das 2021 die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz verpflichtete, bis zu globalen Protesten von Klimaschützer*innen zeigt sich: Die Verankerung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen hat nicht nur tatsächlich stattgefunden und zu einigen Erfolgen geführt, sie ist auch noch nicht an ihrem Ende angelangt. Erstens verhindern institutionelle Eigenlogiken politisch gesetzter Ziele und rechtlicher Verpflichtungen einen Stillstand, zweitens treibt der anhaltende Druck der Klimaschutzbewegung, der unter anderem mit den „Fridays for Future“-Demonstrationen seit 2019 eine neue Stärke erhalten hatte, die Entwicklung voran. Vor allem aber sind drittens kaum Probleme wirklich gelöst, sondern vielfach eher verschoben worden. Dass „die Kluft zwischen dem Erreichten und dem Not- wendigen“ (SRU 2020, 9) wächst, hielt der Umweltrat der Bundesregierung schon 2020 – zu Beginn der Covid-19-Pandemie und noch vor dem Krieg in der Ukraine – fest und verlangte eine deutlich ambitioniertere Politik in fast allen Bereichen. Eine weitere Dynamisierung der bereits unternommenen Schritte ist nicht nur nach wissenschaftlicher Einschätzung dringend geboten, sie ist im Zuge des Wandels von der Umwelt- zur Nachhaltigkeitspolitik auch immanent angelegt. Drehte sich der umweltpolitische Diskurs anfangs noch um die Bekämpfung vor allem lokal sichtbarer ökologischer Belastungen, ist schon seit Ende der 1980er Jahre die globale Dimension der Problemlagen und die notwendige Verbindung von ökologischen und sozialen Aspekten unverkennbar. Das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung bildet das Scharnier eines Wandels, der vom Umweltschutz hin zur sozial-ökologischen Transformation führt, über die wir heute sprechen. So verschieden die Interpretationen dessen auch sind, was alles vermeintlich „nachhaltig“ sein kann – die tägliche Zeitungslektüre, das Supermarktregal oder die Referenzen der nächsten Nachhaltigkeitsagentur geben einen Eindruck davon –, bildet die Definition der Brundtland-Kommission (Hauff 1987) noch immer einen grundsätzlichen Orientierungspunkt. Danach ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie die Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung der gegenwärtigen Generation sicherstellt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Angesichts der vielfältigen sozial-ökologischen Krisen, dem ungebrochenen Fortschreiten von ökologischer Zerstörung und extremer Armut, gebietet die nachhaltigkeitspolitische Zielvorgabe demnach die bewusste und gerechte Transformation gesellschaftlicher Naturverhältnisse im globalen Maßstab. 

Revitalisierung und Grenzen des Nachhaltigkeitsleitbildes
Das schon in die Jahre gekommene Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung erlebte eine spürbare Revitalisierung, indem es mit Beschluss der Staatengemeinschaft im Jahre 2015 in die insgesamt 17 Sustainable Development Goals (SDGs) sowie zahlreiche Unterziele überführt wurde. Der Titel des Dokuments: „Transforming our world“. Auch Deutschland hat sich zu dieser Transformation bekannt, zur Erfüllung der SDGs verpflichtet, deren konkrete Umsetzung in der 2021 fortgeschriebenen Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgehalten ist. Ohne an dieser Stelle die beteiligten Akteure der Nachhaltigkeitspolitik, die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen politischen Sektoren oder die gewählten Indikatoren und ihr (Nicht-)Erreichen genauer betrachten zu können, bleibt angesichts der beschriebenen Entwicklung festzuhalten: Die Notwendigkeit einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit ist ein politisch gesetztes Ziel der Staatengemeinschaft. Es muss demnach eigentlich nicht mehr „von außen“ in die Institutionen der politischen Willensbildung und Administration getragen werden, sondern ist dort bereits etabliert. Dass aber die Aktivist*innen der Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“ im Frühling 2023 in Deutschland als mutmaßliche „kriminelle Vereinigung“ erhebliche staatliche Repressionen erleben, weil sie die Einhaltung ebendieser politisch vereinbarten Klimaziele einfordern, zeigt unter anderem Folgendes. Die Nachhaltigkeitsziele sind erstens zwar in den politischen Institutionen verankert, dies ist aber nicht gleichbedeutend mit ihrer geradlinigen Umsetzung. Angesichts der strukturellen Widersprüchlichkeit staatlicher Politik ist die Umsetzung klimapolitischer Zielvorgaben stets erneut einzufordern und einzuklagen. Letzteres ist im Wortsinn gemeint, denn dem oben erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging eine entsprechende Klage voraus. Derzeit werden Klimaklagen global als ein weiteres Instrument genutzt, um mehr Klimaschutz zu erreichen. Zweitens weicht die spezifische Form der Nachhaltigkeitspolitik, wie sie etwa in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert ist, mehr oder weniger stark ab von verbreiteten Vorstellungen über die Verursachungszusammenhänge der Nicht-Nachhaltigkeit sowie der Schritte, die als erforderlich gelten, um einen Weg in Richtung Nachhaltigkeit tatsächlich einzuschlagen. Diese Bandbreite unterschiedlicher Verständnisse von Nachhaltigkeit zu kartieren, ist bereits seit längerem Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung (Brand 2013, 54ff.). Zum Teil stehen sich in einem Diskursraum, in dem gesellschaftlich über Inhalt und Geltung von „Nachhaltigkeit“ gestritten wird, sehr disparate Einschätzungen gegenüber, ob etwa Märkte und Technologie notwendige Instrumente der Lösung oder umgekehrt nicht gerade Ursache der anhaltenden Nachhaltigkeitskrise sind. Ist die Transformation tatsächlich in Gestalt eines grünen Kapitalismus bzw. einer ökologischen Modernisierung bestehender Strukturen vorstellbar? Bedarf es nicht vielmehr eines grundlegenden Bruchs mit dem kapitalistischen Wachstumsimperativ und der herrschaftlichen Aneignung von Natur durch Technologie? Denn die Orientierung am Wirtschaftswachstum ermöglichte es nur zeitweise und auf Kosten sozialer und ökologischer Reproduktion, eine strukturell widersprüchliche und krisenhafte Formation zu stabilisieren. Beinhaltet demnach eine Nachhaltigkeitstransformation notwendig die Überwindung eines zentralen Charakterzugs moderner Gesellschaft, nämlich „Expansionsgesellschaft“ (Jochum 2022) zu sein?

Zum Begriff der sozial-ökologischen Transformation
Vor allem in diesem zweiten Sinne wird im breiten Kontinuum der Nachhaltigkeitsdebatte mit dem Begriff der sozial-ökologischen Transformation zumeist die Notwendigkeit hervorgehoben, einen grundlegenden Wandel der hergebrachten Formen von Produktion, Arbeit und Konsum zu organisieren. Das heißt letztlich: den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit Natur grundlegend neu zu gestalten. Der Transformationsbegriff erlangte hierzulande vor allem durch den Bericht des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU 2011) zur „großen Transformation“ Prominenz im Nachhaltigkeitskontext. Der WBGU bezog sich damit auf die „Great Transformation“, das vielzitierte Konzept des österreichischen Wirtschaftshistorikers Karl Polanyi, mit dem dieser die Herausbildung der kapitalistischen Marktgesellschaft – und das Aufkommen des Faschismus als Reaktion darauf – analysierte. Die Argumentation des WBGU lautete wie folgt: Nachdem im Prinzip die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel hinreichend sind, um die Notwendigkeit des Handelns nicht mehr fraglich erscheinen zu lassen, müsste nun die Umsetzung des Wandels ins Zentrum rücken, also die Transformation. Die vorangestellte Formel vom Sozial-Ökologischen hat sowohl eine analytische als auch eine politische Bedeutung. Als analytischer Ansatz untersucht die Soziale Ökologie als Teil der sozial-wissenschaftlichen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung die stofflichen Grundlagen von Gesellschaftsformationen in ihrem historischen Wandel (Haberl u.a. 2016). Im Zentrum stehen somit die gesellschaftlichen Ursachen der anhaltenden Nicht-Nachhaltigkeit, die sich nicht nur durch einen Technologiewechsel überwinden lassen. So wie der Übergang zum fossilen Zeitalter mit der Durchsetzung der kapitalistischen Gesellschaftsformation einherging, die der Lohnarbeit einen völlig neuen Stellenwert zuwies und nunmehr Lohnabhängige existenziell an das Florieren der Profitgenerierung band, wird auch eine postfossile, nachhaltige Gesellschaft sehr wahrscheinlich mit einer Neuformation von Arbeit und Eigentum einhergehen müssen. Die politische Konnotation des Begriffs der sozial-ökologischen Transformation ist eine doppelte. Einerseits ist damit die soziale Gerechtigkeitsdimension von Nachhaltigkeit angesprochen, das heißt die Losung des „Leave no one behind“ zu beachten, die das SDG-Dokument von 2015 enthält. Dort heißt es: „Wir versprechen, auf dieser gemeinsamen Reise, die wir heute antreten, niemanden zurückzulassen.“ Andererseits wird nicht nur – völlig im Einklang mit der Forschung – für die ungleiche soziale Betroffenheit durch Folgen des Klimawandels und Folgen der notwendigen Transformation sensibilisiert, sondern auch die soziale Verursachungsfrage thematisiert. Unter dem Gesichtspunkt der Klimagerechtigkeit wird zum einen hervorgehoben, dass obere Einkommensklassen durch ihren CO2-intensiven (Luxus-)Konsum und Vermögende auch durch Investitionsentscheidungen in viel höherem Maße für die Verfehlung der Klimaziele verantwortlich sind als Durchschnittsverdiener*innen und arme Haushalte. Zum anderen wird mit Blick auf globale Ungleichheiten auf die historische Verantwortung der frühindustrialisierten Gesellschaften verwiesen. Als Frühemittenten trugen und tragen sie weiterhin in hohem Maße zur Klimaerwärmung bei. Eine sozial-ökologische Transformation ist zusammengefasst ein umfassendes, an die Kernstrukturen der Gegenwartsgesellschaften reichendes Projekt mit dem Ziel, sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Formen des Wirtschaftens und Lebens zu verwirklichen. Dass es hierbei nicht nur (aber tatsächlich auch!) um die nächste Flugreise oder die Finanzierung des Heizungstauschs geht, sondern auch um die Frage, was zukünftig mit radikal verknappten Emissionsbudgets überhaupt produziert werden soll, und um eine Reorganisation der globalen Arbeits- und Lieferketten, kann ohnmächtig machen. Zumal dann, wenn klar ist: Es ist längst schon Fünf nach Zwölf. Wie kann angesichts dieser fundamentalen Veränderungen, die nötig sind, und der gleichzeitig beobachtbaren kleinen Schritte und allgegenwärtigen Rückschritte der Transformation nicht verzweifelt werden?

Jenseits von Katastrophismus und Resignation
So nachvollziehbar manchen eine resignative oder eine fatalistische, maximal konsumistische Haltung angesichts düsterer Klimaprognosen und katastrophischer Szenarien scheinen mag, die Erkenntnisse zu bisherigen sozial-ökologischen Veränderungsprozessen zeigen, dass auch radikaler Wandel grundsätzlich möglich ist. Mit dem in der Transformationsforschung etablierten analytischen Ansatz der Multi-Level-Perspektive untersuchte beispielsweise schon vor längerem Frank Geels (2005), welche Faktoren einen umfassenden Wandel wie jenen hin zu einem nunmehr global verbreiteten Automobilitäts-Regime beeinflussten. Eine Quintessenz dieser vor allem auf sozio-technologischen Wandel ausgerichteten Forschungen lautet: Struktureller Wandel, bei dem verschiedene Faktoren (Akteure, Infrastrukturen, wissenschaftliches Wissen, politisch-rechtliche Regulation usw.) zusammenwirken, kann sich in einem relativ überschaubaren Zeitrahmen vollziehen. Vormals in Nischen entwickelte Praktiken und Technologien können sich umfassend verbreiten. Zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt nicht Vorstellbares kann zum Normalzustand werden. Die Kritik, dass der Ansatz zu wenig Sensibilität für verhärtete Machtstrukturen aufweise und aktuell soziale Innovationen vonnöten seien, die sich nicht als warenförmige Technologien über Wachstum auf Märkten verbreiten können, mag richtig sein. Richtig ist aber ebenfalls, dass auch für einen großen Teil der Menschen bislang nicht vorstellbare Veränderungen – zum Beispiel eine Abkehr vom ressourcenintensiven, individualisierten Automobilverkehr – prinzipiell möglich sind. Die Keime der Veränderung gedeihen vermutlich bereits jetzt unter der Oberfläche der alltäglichen Nicht-Nachhaltigkeit, und die zuweilen als „bekloppt“ diskreditierten Aktionen von Klimaaktivist*innen, so zuletzt Bundeskanzler Olaf Scholz, mögen im Rückblick nur vernünftig erscheinen. 

Ohne geht es nicht: Sozial-ökologische Transformationskonflikte 
So friedlich das Bild einer aus Keimen natürlich erwachsenden nachhaltigen Gesellschaft sein mag, die Straßenblockaden von Klimaaktivist*innen, die Reaktionen darauf und andere handfeste Auseinandersetzungen machen deutlich, dass die soziale Realität anders aussieht. Die sozial-ökologische Transformation ist durch Konflikte gekennzeichnet. Das lässt sich auch nicht vermeiden, wenn gewohnte Alltagspraktiken und damit auch Identitäten (Stichwort: „Petromaskulinität“, Daggett 2023), gesellschaftliche Machtverhältnisse und hochprofitable, fossile, eben: nicht-nachhaltige Konsummuster und Industriezweige zur Disposition stehen. Diese Konflikte wären dann als notwendige soziale Auseinandersetzungen darüber zu verstehen, wie eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann und was es dabei zu berücksichtigen gilt. Sichtbar wird beispielsweise, dass diejenigen, die unmittelbar die Transformationskosten zu tragen haben, auf neue Formen der Wohlfahrtsproduktion angewiesen sind. Denn das – ohnehin vielfach nie eingelöste und global auch nicht zu verallgemeinernde – Versprechen eines Wachstumswohlfahrtsstaates, der allen die Teilhabe am Warenreichtum erlauben und sie irgendwann besserstellen würde, wenn das Bruttoinlandsprodukt nur stetig weiterwachse, ist aus ökologischen Gründen und in Zeiten säkularer Stagnation mit zugespitzten sozialen Ungleichheiten längst überholt. Wir befinden uns somit längst mitten in einer sozial-ökologischen Transformation. Die steigende Konfliktintensität zeigt an, dass dies auch zunehmend verstanden wird. Ob diese Auseinandersetzungen schließlich in einer verallgemeinerbaren, gerechten und ökologisch verträglichen Ordnung münden, ist allerdings historisch offen.


Literatur

Brand, Karl-Werner 2013: Umweltsoziologie. Entwicklungslinien, Basiskonzepte und Erklärungsmodelle. Weinheim/Basel.

 Daggett, Cara 2023: Petromaskulinität: Fossile Energieträger und autoritäres Begehren. Berlin. Geels, Frank W. 2005: The Dynamics of Transitions in Socio-Technical Systems: A Multi-Level Analysis of the Transition Pathway from Horse-Drawn Carriages to Automobiles (1860–1930). In: Technology Analysis & Strategic Management Nr. 4, S. 445–476.

Haberl, Helmut/Fischer-Kowalski, Marina/Krausmann, Fridolin/Winiwarter, Verena (Hg.) 2016: Social Ecology: Society-Nature Relations across Time and Space. Cham.

Hauff, Volker 1987: Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 2023: Synthesis Report of the IPCC Sixth Assessment Report (AR6), Summary for Policymakers. Genf.

Jochum, Georg 2022: Jenseits der Expansionsgesellschaft. Nachhaltiges Dasein und Arbeiten im Netz des Lebens. München.

Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) 2020: Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa. Umweltgutachten 2020. Berlin.

United Nations Environment Programme (UNEP) 2022: Emissions Gap Report 2022: The Closing Window. Climate Crisis Calls for Rapid Transformation of Societies. Nairobi.

Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) 2011: Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, Hauptgutachten. Berlin.

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