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Politik mit dem Klima
Vor etwa fünf Jahren formierte sich die Bewegung „Fridays for Future“. Sie übte Druck auf die politischen Entscheidungsträger aus, das im Weltklimaabkommen vereinbarte Ziel einzuhalten, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – also feierlichen Reden und ambitionierten Deklarationen konkrete Taten folgen zu lassen. Nimmt man die Prognosen über die absehbare Klimaerwärmung als Maßstab, so war „Fridays for Future“ wenig erfolgreich. Schaut man jedoch auf die klimapolitischen Aktivitäten, die in den letzten Jahren eingeleitet oder intensiviert wurden, so stellt sich die Situation widersprüchlicher dar. Das Thema eines umfassenden, effektiven und sozialverträglichen Klimaschutzes prägt eine konfliktive politische Agenda. Es ist durch weitere Krisenprozesse – Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg – überlagert und vorübergehend in den Hintergrund geschoben worden, um perspektivisch aber umso dringlicher zurückzukehren.Für POLITIKUM ist dies Grund genug, eine Art Zwischenbilanz der klimapolitischen Strategien, Konzepte und Aktivitäten der vergangenen Jahre zu ziehen: Bewegen wir uns stetig auf einen Klimakollaps zu, oder gibt es auch Entwicklungen, die Mut machen? Wie hat sich das Verständnis von Klimapolitik und sozial-ökologischer Transformation entwickelt?Welchen Ansatz verfolgen die großen Schwellenländer, vor allem China, im Kampf gegen die Klimakrise? Hat die Biden-Administration in den USA einen klimapolitischen Kurswechsel eingeleitet? Wie ist der „Green Deal“ der Europäischen Union einzuschätzen? Welche Ansätze einer sozialökologischen Transformation werden in Deutschland gerade auch auf der regionalen oder lokalen Ebene verfolgt?
Lebensadern der Globalisierung
Infrastrukturen werden oft als gegeben betrachtet. Sie geraten nur dann ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn sie als „Lebensadern“ der alltäglichen Praktiken ausfallen oder nicht so funktionieren wie erwartet. Häufig ist dann von „kritischen“ Infrastrukturen die Rede. Mal geht es um soziale Infrastrukturen wie Bildung, Erziehung, Pflege oder Gesundheit. Vermehrt richtet sich der Blick aber auch auf jene Infrastrukturen, die für die ökonomische Globalisierung von grundlegender Bedeutung sind:  Handelswege, also Seerouten, Kanäle, Häfen, Bahnstrecken oder Flugrouten;  die Systeme der Energieversorgung, vor allem Stromnetze und Öl- oder Erdgas-Pipelines;  digitalisierte Kommunikationssysteme wie das Internet;  die satelliten-gestützte Navigation (GPS) und Systeme mit einer hohen Datenübertragung (5G);  internationale Zahlungssysteme (SWIFT), die nicht nur den Handel, sondern auch die grenzüberschreitende Vernetzung der Finanzmärkte abstützen. Die terroristischen Anschläge und Cyber-Attacken der 2000er Jahre haben bereits dazu geführt, dass einige dieser Infrastrukturen diskursiv „versicherheitlicht“, d.h. als anfällig für existenzielle gesellschaftliche Bedrohungen betrachtet wurden. Einige Wissenschaftler gehen inzwischen noch einen Schritt weiter und verweisen darauf, dass Infrastrukturen mitunter strategisch als nicht-militärische „Waffe“ eingesetzt werden können, um Druck auf missliebige Staaten auszuüben. Über derartige Fähigkeiten verfügen vor allem die USA und China – Stichwort: „Neue Seidenstraße“ –, die um die Kontrolle über zahlreiche Infrastrukturen ringen. In Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine nutzen nun aber auch die EU und andere Staaten Infrastrukturen, etwa SWIFT, um Sanktionen gegenüber Russland effektiv durchsetzen zu können. Diese Ausgabe von POLITIKUM diskutiert: Wie schreitet der Aufbau grenzüberschreitender Infrastrukturen voran? Nehmen die Konflikte um ihre Organisation und Kontrolle zu? Wie positioniert sich die EU? Verfolgt sie eine eigenständige Strategie? Gibt es auch neue Chancen der Kooperation? Wenn ja, in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen?
Klimakrise
Der menschengemachte Klimawandel ist wissenschaftlich erwiesen, doch im Umgang damit sind viele drängende Fragen offen. Politikum nimmt den Stand der Debatte und die auf den Klimawandel bezogenen Konflikte genauer in den Blick. Expert*innen aus Natur- und Politikwissenschaft analysieren u.a., warum für realistische Prognosen nicht nur klimaphysikalische Entwicklungen berücksichtigt werden müssen, sondern auch gesellschaftliche Dynamiken. Woran liegt es, dass die Fridays for Future-Bewegung das Problem in kurzer Zeit zu einem zentralen politischen Thema machen konnte? Und wird es ihr gelingen, tatsächlich ein gesellschaftliches Umdenken einzuleiten? Die (Miss-)Erfolge der internationalen Klimakonferenzen werden ebenso kritisch beleuchtet wie das Klimapaket der Bundesregierung. Sowohl beim Verkehr, dem klimapolitischen Sorgenkind im Autoland Deutschland, als auch in der Energie- und Agrarpolitik gibt es aber durchaus vielversprechende Ansätze, die das Erreichen der selbstgesetzten Klimaziele möglich erscheinen lassen. Dieses Heft bietet fundierte Hintergrundanalysen, eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen deutschen Klimapolitik, aber auch Hoffnungsschimmer, wie ein Umsteuern gelingen könnte.