Die Rezensentin

Henrike Claussen ist Historikerin und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Rechtsthemen in der politischen Bildungsarbeit. Bis Oktober 2023 war sie Gründungsdirektorin der öffentlich-rechtlichen Stiftung Forum Recht.

Bücher zum Thema Recht und Rechtsstaat

Juli Zeh, Elisa Hoven: Der war’s. Carlsen Verlag: Hamburg 2023, 160 Seiten, ab 8 Jahre Literatur

Literatur zur politischen Bildung steht häufig vor zwei Herausforderungen. Sie hat einerseits mit dem Ruf des „schwierigen“ Inhalts zu kämpfen, der nicht unbedingt massentauglich erscheint, und sie ist andererseits meist nicht kindgerecht. Das Herunterbrechen von komplexen Sachverhalten für Kinder und die erzählerische Ansiedlung in ihrer Lebenswirklichkeit hat in Deutschland keine lange Tradition. Wenn dann noch zentrale Rechtsgrundsätze im Mittelpunkt stehen, mit denen schon manche Erwachsene ihre Probleme haben, hat das echten Seltenheitswert. Dieser besonderen Aufgabe haben sich die preisgekrönte Autorin Juli Zeh („Unterleuten“, „Über Menschen“) und die Leipziger Professorin Elisa Hoven, beide Juristinnen, gewidmet. Mit einem spielerischen Ansatz und mit viel Humor illustriert von Lena Hesse, erzählen sie eine im Schulleben angesiedelte Geschichte zur Bedeutung von Unschuldsvermutung und fairem Verfahren und erläutern die Grundsätze eines Strafverfahrens. Die Handlung ist überschaubar. Marie, dem beliebtesten Mädchen in der Klasse 6a, werden ihre Pausenbrote gestohlen, deren besonders üppige und liebevolle Vorbereitung durch ihre Mutter sie geradezu zu „Supersandwichs“ machen. Gemeinsam mit anderen Kindern werden Ermittlungen in Gang gebracht und die Indizien sprechen gegen Konrad, den Außenseiter der Klasse, der die Diebstähle aber leugnet. Die Klasse beschließt, einen Prozess durchzuführen, genau so „wie im Fernsehen. Am Ende weiß man immer, wer der Täter war.“ Tatsächlich klärt sich der Diebstahl am Ende auf, wenn auch anders als erwartet. An die Erzählung schließen sich knapp 30 Seiten „Nachgefragt“ an, die zentrale Fragen zur Funktionsweise eines Strafverfahrens in Deutschland erklären. Ein solches „Debriefing“ ist hilfreich, denn auch wenn die in den Text eingestreuten Begriffe aus dem Ermittlungs- und Justizjargon für Kinder wahrscheinlich noch nachvollziehbar sind, helfen die Hintergrundinformationen erheblich, die zentralen Grundsätze, die die Geschichte aufgreift, noch einmal in den Gesamtkontext einzubetten. Ganz ohne Wissensvermittlung geht es dann doch nicht. Und als leicht verständliche Lektüre kann es womöglich auch für erwachsenes Publikum als Auffrischung dienen. „Der war’s“ ist ein gelungener Versuch, die sehr abstrakten Fragen von Gerechtigkeit, Recht und Rechtsstaatlichkeit kindgerecht in einer leichtgängigen Erzählung zu verpacken. Die Kritik am Lehrplan und der Hinweis auf die permanente Überlastung von Lehrkräften, die zuweilen durchscheinen, sind wohl weniger an ein Publikum ab acht Jahren, sondern an neugierige erwachsene Leser*innen gerichtet, stören die Geschichte aber nicht nachhaltig. Es ist ein besonderer Verdienst der Autorinnen, beide keine ausgewiesenen Kinderbuch-Expertinnen, sich eines solchen komplexen Themas angenommen zu haben, und es bleibt zu hoffen, dass die…

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