Im Interview

Benedikt Jacobs ist Referent für Rohstoff- und Ressourcenpolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland.

Das Interview für POLITIKUM führte Johannes Varwick.

„Wir müssen den Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren“


POLITIKUM: Warum ist eine Nichtregierungsorganisation wie der BUND im Bereich der Ressourcenpolitik aktiv und wie würden Sie den Problemdruck beschreiben? 

JACOBS: Der BUND beschäftigt sich seit jeher mit der Frage nach dem Genug und dem Suchen von nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweisen. Nachhaltigkeit meint in diesem Zusammenhang die intertemporale und globale Gerechtigkeit im Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, die dafür Sorge trägt, dass die Lebensbedingungen auf diesem Planeten dauerhaft und weltweit erhalten bleiben. Mit Studien wie dem „Zukunftsfähigen Deutschland“ haben wir bereits in den 90er Jahren den Nachhaltigkeitsdiskurs stark geprägt. Die Studie kam damals schon zu dem Ergebnis, dass für eine solche Ressourcengerechtigkeit Deutschland seinen Energie- und Materialverbrauch bis zum Jahr 2050 um durchschnittlich 80 bis 90 Prozent reduzieren müsse. Seitdem ist leider nicht viel passiert. Bzw. das stimmt nicht ganz, denn die uns zur Verfügung stehende Zeit ist deutlich knapper und die Umweltkrisen wie Klimawandel und Artensterben sind deutlich akuter geworden. Außerdem ist die Ressourcenverschwendung ein Haupttreiber hinter Artensterben, Klimakrise und Wasserstress. Quetschen wir unsere Erde weiter aus wie bisher, werden wir die Auswirkungen dieser Umweltkrisen also niemals eindämmen können. Denn das ökologische Hauptproblem ist die Ressourcenverschwendung. Artensterben und globale Erwärmung sind nur die Symptome. Wenn wir eine Chance auf eine lebenswerte Zukunft haben wollen, müssen wir das Problem bei der Wurzel packen und den Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung fordert beispielsweise die Reduktion des Verbrauchs von abiotischen Primärrohstoffen auf maximal sechs Tonnen pro Person und Jahr, bis 2050. Das entspricht einer Reduktion um 85 Prozent zum heutigen Verbrauch. Im gleichen Zeitraum sollte der Verbrauch der biotischen Stoffe auf maximal zwei Tonnen pro Person und Jahr gesenkt werden. 

POLITIKUM: Hört sich vernünftig an, aber ist das denn machbar? 

JACOBS: Das klingt erst einmal sehr viel und ist auch eine riesige Herausforderung. Wichtig zu berücksichtigen ist aber, dass es hierbei immer nur um den Primärverbrauch geht. Also um den Verbrauch jährlich neu gewonnener Rohstoffe. Ressourcen die sich einmal im Kreislauf befinden, zählen hier nicht mit. Außerdem ist der Ressourcenverbrauch sowohl national als auch global extrem ungleich verteilt und stark einkommensabhängig. Deswegen müssen wir auch immer die Frage stellen, wer den Verbrauch wie viel reduzieren muss. Der Handlungsdruck ist sehr hoch und er steigt mit jedem weiteren Jahr, das wir verstreichen lassen, ohne substanziell etwas für den Ressourcenschutz zu tun.

POLITIKUM: Was genau ist das „Netzwerk Ressourcenwende“ und welche Rolle spielt das bei Ihrer Arbeit?

JACOBS: Das Netzwerk Ressourcenwende ist ein Zusammenschluss von Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft im deutschsprachigen Raum. Wir setzen uns für eben diese global und generationsübergreifend gerechte Ressourcennutzung im Rahmen der ökologischen Belastungsgrenzen ein. Dabei orientieren wir uns am Prinzip der Suffizienz. Das bedeutet, die oftmals verschwenderische Ressourcennutzung des globalen Nordens auf ein sozial-ökologisch verträgliches Maß zu reduzieren. Das Netzwerk soll ein Ort des systematischen, offenen und transdisziplinären Austausches sein. Wir wollen gemeinsam wichtige Querschnitts- und Grundsatzthemen bearbeiten. Ziel ist es, daraus sachlich fundierte Forderungen abzuleiten und diese in die entsprechenden Diskurse einzubringen. Ich habe das Netzwerk seit 2019 aufgebaut und jetzt koordiniere ich die Netzwerkarbeit. D. h. ich organisiere die Netzwerktreffen, schaffe die Orte des Austausches, koordiniere die Arbeitsgruppen des Netzwerkes und seine Öffentlichkeitsarbeit und kommuniziere die erarbeiteten Forderungen an Politik und Gesellschaft.

POLITIKUM: Der BUND hat kürzlich ein Gutachten initiiert, das sich für die Vorlage eines Ressourcenschutzgesetzes auf Bundesebene ausspricht. Warum sehen Sie hier Regelungsbedarf?

JACOBS: Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen diesen Regelungsbedarf deutlich auf, denn die bisherigen politischen Bemühungen im Ressourcenschutz sind komplett ins Leere gelaufen. Politische Maßnahmen, wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz oder das Ressourceneffizienzprogramm, haben nicht zu einer Senkung des Verbrauchs geführt. Es fehlen verbindlichen Ziele für den Ressourcenschutz und das sowohl national als auch auf europäischer Ebene. Darüber hinaus gibt es keinen rechtlichen Rahmen, der die Voraussetzungen für die nötige drastische Reduktion des Ressourcenverbrauchs schaffen könnte. Auch internationale und völkerrechtlich verbindliche Ressourcenschutzziele, vergleichbar mit denen des Pariser Abkommens zum Klimaschutz, fehlen bisher komplett. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Bundesregierung hier vorangeht und das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, den Ressourcenverbrauch zu senken und die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen, mit Substanz füllt. Aus unserer Sicht, laut dem erwähnten Gutachten und laut wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu, bietet sich dafür ein Ressourcenschutzgesetz an. Vergleichbar mit dem Klimaschutzgesetz bietet es die Möglichkeit, wesentliche Aspekte des Ressourcenschutzrechts „vor die Klammer zu ziehen“, und regelt die zentralen Fragen des Ressourcenschutzes. Dabei überlässt es den verschiedenen Sektoren, parallel sektorspezifische Fachregelungen zu erlassen bzw. bestehende Regelungen anzupassen. Somit ist es vergleichsweise einfach umsetzbar und hat sowohl symbolische Strahlkraft als auch politische Wirksamkeit. Auf diesem Weg kann ein Ressourcenschutzgesetz Aufgaben, Grundsätze und Ziele des Ressourcenschutzes festlegen, aber die bereichsspezifischen Konkretisierungen dieser Vorgaben in den jeweiligen Gesetzen des Planungs-, Umwelt- und Wirtschaftsrechts belassen. Das erwähnte Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass Art. 20a des Grundgesetzes dazu verpflichtet, einen verbindlichen Rechtsrahmen für den Schutz der Ressourcen zu schaffen, da dieser durch die aktuelle Rechtslage nicht gewährleistet wird. Hierfür bietet sich laut Gutachten ein Ressourcenschutzgesetz in Form eines übergreifenden Rahmengesetzes an. Das Gutachten zeigt auf, welche wesentlichen Inhalte in einem solchen Gesetz geregelt werden sollten, identifiziert offene Fragestellungen und liefert konkrete Formulierungsvorschläge.

POLITIKUM: Wie sollte dieses Gesetz denn genau ausgestaltet werden?

JACOBS: Wichtig ist, dass es messbare Ressourcenschutzziele inklusive Bezugs- und Erreichungsjahr, Reduktionspfad, Monitoring, Sanktionen und Berichtspflichten verbindlich festschreibt. Aus den übergeordneten verbindlichen Reduktionsziele können Zwischenund Ressortziele abgeleitet werden. Darüber hinaus ist ein wichtiger Bestandteil die Ressourcenschutzplanung. Hierdurch würde die Bundesregierung dazu verpflichtet werden, ein Programm mit Maßnahmen zu erlassen. Dieses Ressourcenschutzprogramm kann damit das zentrale Umsetzungsinstrument darstellen, welches sicherstellt, dass die Ressourcenschutzziele erreicht werden. Vergleichbar zum Klimaschutzgesetz könnte auch hier ein Nachsteuerungsmechanismus in Form von Sofortprogrammen implementiert werden. Diese würden greifen, wenn das Ressourcenschutzprogramm nicht dazu geführt hat, dass die Reduktion des Ressourcenverbrauchs auf Zielerreichungskurs ist.

POLITIKUM: Was genau ist mit Ressourcenschutzplanung gemeint? Klingt wie ein Bürokratiemonster … Geht sowas überhaupt in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung?

JACOBS: Eine Zielsetzung für die Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs, verbunden mit einem klaren und verbindlichen Reduktionspfad, ist enorm wichtig. Gleichzeitig reicht ein Ziel alleine ja noch nicht aus, um dieses auch zu erreichen. Um also die Gefahr der Implementierung eines neuen Gesetzes ohne Verbindlichkeit und damit die Geburt eines „zahnlosen Tigers“ zu verhindern, sind – laut Gutachten – Umsetzungsinstrumente zwingend im Gesetz vorzusehen. Die Konkretisierung und Operationalisierung der Zielsetzungen kann der Bundesregierung mit der Pflicht zum Erlass von Ressourcenschutzprogrammen übertragen werden. In diesen muss die Bundesregierung dann festlegen, welche Maßnahmen sie innerhalb welcher Frist zur Erreichung der nationalen Ressourcenschutzziele ergreifen will. Auch beim Klimaschutzgesetz gibt es die Pflicht zur Erstellung eines Klimaschutzprogramms. Möglich ist dies also durchaus.

POLITIKUM: Was könnte man denn vom Klimaschutzgesetz lernen?

JACOBS: Das Klimaschutzgesetz hat gezeigt, dass erst ein solcher Governance-Rahmen gewährleistet, dass Politikinstrumente mit einer größeren Eingriffstiefe priorisiert werden, d. h. es stehen nicht mehr – wie bisher – Informations-, Beratungs- und Förderinstrumente im Fokus, sondern ambitioniertere Instrumente wie Umweltsteuern, Ordnungspolitik oder Subventionsabbau. Diese haben das Potenzial den Ressourcenverbrauch wirklich zu senken. Außerdem wird verbunden mit einem klaren und rechtlich verbindlichen Reduktionspfad erstmalig deutlich, wie viele Ressourcen uns überhaupt noch zur Verfügung stehen. Erst auf dieser Grundlage können wir in Zukunft priorisieren. Aktuell gleichen die bundesweit geltenden Gesetze und Fachregelungen, Programme und Strategien einem Flickenteppich. Dies hat zu einem zersplitterten und widersprüchlichen Ressourcenschutzrecht geführt, mit dem die übergeordneten Ziele der Reduktion des Ressourcenverbrauchs nicht zu erreichen sind.

POLITIKUM: Wenn das Klimaschutzgesetz in Deutschland Vorbild für ein Ressourcenschutzgesetz ist, dann kann das ja auch bedeuten, dass man eher frustriert zur Kenntnis nehmen muss, dass trotz aller Bemühungen ein wirklicher Fortschritt nicht erkennbar ist. Wie gehen Sie damit um? Anders formuliert: Glauben Sie daran, dass ein nachhaltiges Wirtschaften und eine drastische Reduzierung des Ressourcenverbrauchs möglich ist?

JACOBS: Natürlich können wir durch das Klimaschutzgesetz noch keinen Haken hinter das Thema Klimaschutz machen. Es ist aber trotzdem ein wichtiger Ansatzpunkt für die Zivilgesellschaft konsequenteren Klimaschutz einzufordern und hat zu deutlich ambitionierteren Maßnahmen geführt. Diese reichen freilich noch nicht aus. Einen vergleichbaren Rechtsrahmen im Ressourcenschutz zu haben, wäre jedoch ein riesiger Fortschritt. Darüber hinaus braucht es natürlich einen tiefgreifenden Wandel, nämlich ein neues Verständnis von Wohlstand und Wachstum. Dafür müssen wir unsere Produktions- und Konsummuster sowie zugrundeliegende Machtstrukturen hinterfragen und verändern. Dies wird langfristig nicht gehen ohne grundlegende Veränderungen des institutionellen Gefüges bezüglich Eigentum, Zugang, Verteilung und Demokratisierung. Um diesen Wandel einzuleiten, ist aus unserer Sicht das Ressourcenschutzgesetz jedoch ein wichtiger erster Schritt.

POLITIKUM: Wie sehen Sie die Umsetzungschancen einer echten Ressourcenwende in Deutschland und warum hat die derzeitige Ampelkoalition Ihre Überlegungen nicht bereits in ihrem Koalitionsvertrag aufgenommen? Es gibt ja immerhin bereits Arbeiten an einer nationalen Kreislaufstrategie, die doch eigentlich in eine ganz ähnliche Richtung geht, oder?

JACOBS: Im Koalitionsvertrag steht: „Wir haben das Ziel der Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossener Stoffkreisläufe. Hierzu passen wir den bestehenden rechtlichen Rahmen an, definieren klare Ziele.“ Die Bundesregierung hat begonnen die erwähnte nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie zu erarbeiten. Damit hat sie sich auf den Weg gemacht, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Dies kann jedoch nur der erste Schritt sein, auf den viele weitere Folgen müssen. Denn eine Strategie allein kann nicht die notwendige Verbindlichkeit schaffen, um den absoluten Primärrohstoffverbrauch auf eine sozial gerechte und verträgliche Ressourcennutzung zu reduzieren. Damit die Vision, Leitprinzipien und Ziele einer Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden können, braucht es einen rechtlichen Rahmen in Form eines Ressourcenschutzgesetzes. Dieses wird in dieser Legislaturperiode sehr wahrscheinlich nicht mehr kommen. Daher fordert der BUND von der Bundesregierung als ersten Schritt, die Überarbeitung des Rechtsrahmens und Ressourcenschutzziele zur Senkung des Ressourcenverbrauchs als zentrale Bestandteile in die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie aufzunehmen. 

POLITIKUM: Das wäre dann eine echte und die von Ihnen geforderte Wende? 

JACOBS: Auf der übergeordneten Ebene bleibt uns mittel- bis langfristig gar keine andere Wahl als eine echte Ressourcenwende. Noch haben wir jedoch die Wahl, ob wir diese große Transformation aktiv mitgestalten und alles dafür geben, dass die Verluste so gering wie möglich bleiben, oder ob uns die aktuellen multiplen Krisen irgendwann dazu zwingen. Die Frage ist also: Wollen wir eine Transformation by design oder by disaster? Erneuerbare Ressourcen wie Ackerland und Wasser sind jetzt schon knapp. Ebenso nachhaltig bereitgestellte nicht-erneuerbare Rohstoffe. Denn die Förderung und Bereitstellung von Ressourcen sind mit enormen Umweltschäden und häufig mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. Das anhaltende Streben nach Wirtschaftswachstum und damit der anhaltende exzessive Verbrauch würde weitere Umweltschäden und soziale Ungerechtigkeiten nach sich ziehen und Konflikte auf lokaler wie globaler Ebene verschärfen. Die aktuellen Verwerfungen auf globalen Energieund Rohstoffmärkten sowie die Welternährungskrise wären dann nur ein kleiner Vorgeschmack. Aus Sicht des BUNDs ist es deswegen notwendig, eine systematische Transformation zu organisieren, welche zur absoluten Reduktion des Ressourcenverbrauchs führt und zugleich solidarisch und sozial ausgestaltet ist. Das Ressourcenschutzgesetz ist nur ein erster, aber sehr wichtiger Schritt.

POLITIKUM: Lassen sich solche Themen überhaupt national angehen oder braucht es nicht vielmehr europarechtliche bzw. besser noch internationale Regelungen? Sind diese in Sicht?

JACOBS: Wie bereits erwähnt, müssen wir aufhören ständig mehr Energie und materielle Ressourcen zu verbrauchen. Langfristig wird dies nur möglich sein, wenn sich einerseits die globale Wirtschaft vom ökonomischen Wachstumsmodell verabschiedet und neue Leitbilder für Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg schafft und andererseits die Verteilungskrise überwunden wird. Natürlich braucht es dafür, wie beim Klimaschutz auch, die gesamte Weltgemeinschaft. Leider fehlen , wie erwähnt, völkerrechtlich verbindliche Abkommen, vergleichbar mit dem Paris-Abkommen im Klimaschutz, komplett. Umso wichtiger ist es, dass wir hier auf nationaler Ebene vorangehen. Die Entwicklungen rund um das Thema Lieferkettengesetz haben auch gut gezeigt, dass nationale auch europäische Initiativen nach sich ziehen können. Außerdem haben wir als reiche Industrienation aus Gerechtigkeitsperspektive durch unsere historischen Verbräuche die Pflicht, als erste und möglichst ambitioniert alles dafür zu tun, den nationalen Ressourcenverbrauch zu senken.

POLITIKUM: Herr Jacobs, ich danke Ihnen für das Gespräch!
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