Im Interview

Sonja Pannenbecker ist Referentin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bremen.

Das Interview für Politikum führte Ina Schildbach.

„Der erste Schritt in die richtige Richtung“

POLITIKUM: Die Ampelkoalition hat am 29. September 2023 den Bürgerrat zur Ernährung mit 160 Bürger* innen feierlich eröffnet. Dieser hatte zum Ziel, sich mit Ernährungspolitik, Lebensmittelkennzeichnung und -verschwendung zu befassen und bis zum 14. Januar 2024 dem Bundestag Empfehlungen zu diesen Themen vorzuschlagen. Frau Pannenbecker, Sie sind die Referentin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale in Bremen, was denken Sie: Warum wurden Bürgerräte genau zu diesem Thema einberufen?

Sonja Pannenbecker: Es gibt ja bereits die Ernährungsräte, die auf kommunaler Ebene, also in verschiedenen Städten und Kreisen, zu verschiedenen Ernährungsthemen Stellung nehmen, und das auf fast komplett ehrenamtlicher Basis. Das Ziel dieser Ernährungsräte ist es unter anderem, die nachhaltige und lokale Lebensmittelversorgung in den Städten zu verbessern und diese Themen auch in die Landkreise zu bringen. Dabei sind viele Netzwerke zwischen Politik, Verwaltung, Landwirten, Händlern, Verbrauchern usw. entstanden. Diese Ernährungsräte sind eher langfristig ausgelegt und organisieren vor Ort oft Veranstaltungen. Der Bürgerrat hingegen hat eine klare Zielsetzung, die in einem vorgegebenen Zeitrahmen erfüllt werden soll. Der Ältestenrat hat eine Berichterstatter-Gruppe berufen, in der alle Fraktionen vertreten sind. Es wurden 160 Leute ausgelost, die Empfehlungen zu dem Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheiten und staatlichen Aufgaben“ aussprechen sollen. Es sollen dementsprechend Bürger als eine repräsentative Auswahl der Bevölkerung wichtige Themen ansprechen dürfen.

POLITIKUM: Warum ist der Bürgerrat zur Ernährung in Ihren Augen wichtig?

Sonja Pannenbecker: Ernährung wird immer als sehr privat wahrgenommen, das ist sie aber leider nicht. Bei der Ernährung glaubt ja jeder, man sei sein eigener Experte, seine eigene Expertin, weil ja jeder üblicherweise isst. Dabei gibt es sehr viele Komponenten von außen, die auf das Ernährungsverhalten einwirken. Das hat auch der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) in einem Gutachten vor ein paar Jahren ausführlich dargestellt. Dabei wurde ausgearbeitet, dass die Verhältnisprävention, also die Gestaltung der Umgebung, um ein besseres Ernährungsverhalten zu vereinfachen, einen deutlich größeren Stellenwert haben sollte als die Verhaltensprävention, also die Optimierung des menschlichen Verhaltens durch Information. Deswegen ist der Bürgerrat gut. Viele Entscheidungen des Menschen werden ihm durch seine Umwelt vorgegeben. Zum Beispiel gibt es an Bahnhöfen oft nur hochkalorische Snacks und Getränke zu kaufen, jedoch selten so etwas wie einen Trinkwasserbrunnen, was ja besonders in den warmen Sommermonaten wichtig wäre. Genauso beeinflusst Werbung im Alltag unser Essverhalten. Essen ist nicht nur individuell, da ist es gut, wenn es auf…

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