Die Autor*innen

Ulrich Stöcker, Ass. iur., ist Geschäftsführer von Rewilding Oder Delta e. V. und Senior­experte der Deutschen Umwelthilfe (DUH), deren Naturschutzleiter er 2009–2021 war; zuvor 18 Jahre für Naturschutzrecht im Umweltministerium Brandenburg zuständig und Lehrbeauftragter für Umweltrecht an der TU Berlin (koordinierender Autor).

Anna von Rebay ist Rechts­anwältin und Gründerin von Ocean Vision Legal, der ersten Kanzlei weltweit, die auf Meeresschutz spezialisiert ist.

Christine Ax ist Vorsitzende des Netzwerks Rechte der Natur e. V.

Cornelia Nicklas ist Rechts­anwältin und Leiterin des Bereiches Recht bei der DUH. ­ Sie ist Autorin der Textpassage zur Verbandsklage.

Tamara Abdelwahed ist Junior Associate bei Ocean Vision Legal.

Durch Rechte der Natur zu einem ethischen Wertewandel

Eigene Rechte der Natur können zu einem ethischen Wertewandel führen, sodass der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt des Rechtssystems steht, sondern als Teil seiner Mitwelt angesehen wird. Dieses im globalen Süden entwickelte Konzept kann zur Überwindung des praktischen Kolonialismus und des kolonialen Denkens beitragen. Bestehen Perspektiven für seine Einführung auch in Deutschland? 

Effektiver Umweltschutz benötigt einen Paradigmenwechsel. Seit mehreren Jahren zeigen die verstärkte Einlegung von Klimaklagen und die Anrufung von Gerichten für Umweltschutzbelange, dass das Recht ein wirksames Mittel sein kann, um diesen Wechsel einzufordern. Was hierfür notwendig ist, ist nicht nur die Durchsetzung von bestehenden (und ungenügenden) rechtlichen Verpflichtungen, sondern gerade die Schaffung von neuen Rechten, die dem Wertewandel der Menschheit Rechnung tragen und die Natur als ein eigenes Rechtssubjekt anerkennen. Die Rechte der Natur (im Folgenden: RdN) werden im weitesten Sinne als ein neuer rechtlicher Rahmen verstanden, der die Natur als ein Subjekt von Rechten mit intrinsischem Wert anerkennt anstatt einer bloßen Ressource für den Menschen (bspw. nach Cullinan 2016). Dieser nimmt stattdessen die Rolle eines verantwortungsbewussten Vertreters der Natur wahr, um ihr im Namen heutigen und künftigen Lebens eine Stimme zu verleihen (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages 2021). In diesem Sinne ist die Einführung von RdN ein Element, das den Menschen in einer von Klimawandel, Naturkatastrophen und Artensterben geprägten Zeit in bescheidener Zurückhaltung üben und anerkennen lässt, dass er nicht Herrscher über die Natur, sondern deren Bestandteil ist. Sie kann damit zu sozialökologischer Transformation beitragen und Vorbild zur Lösung anderer Zukunftsfragen (Recht auf Teilhabe und Partizipation, Frieden, globale Ungerechtigkeiten, Migration, Asyl, Digitalisierung, Diskriminierung) sein. Damit zielt die Verleihung von RdN auf eine systemische Umgestaltung der (westlichen) Rechts- und Wertesysteme ab, indem sie eine Neuausrichtung der Umweltethik schafft: weg von einer anthropozentrischen Weltsicht, die den Menschen als Mittelpunkt der Welt wahrnimmt, hin zu einer ökozentrischen Ethik. Ökosysteme werden in diesem Weltbild nicht als natürliche Ressourcen zum Nutzen der Menschen gesehen. Vielmehr wird anerkannt, dass die Natur selbst einen Wert hat und in ihrer Integrität schützenwert ist mit allen ihren Arten. Dies schafft – im Sinne eines notwendigen Paradigmenwechsels – eine Transformation dessen, wie die Menschheit mit der Natur in Beziehung steht, sie wertschätzt und nutzt; d.h., die Menschheit als eine von vielen voneinander abhängigen Arten im gesamten Ökosystem, die ein Teil der Natur sind. Der Mechanismus für die Neuausrichtung der Werte und der Ethik, die unseren Rechtssystemen zugrunde liegen, liegt also in der Bereitstellung von „Rechten“ oder von „Rechtspersönlichkeit“, die die Form der Regelungen…

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