Autor*innen

Michael Dieminger ist wissenschaftlicher Referent in der Stiftung Humboldt Forum. Er kuratiert die Serie „99 Fragen“ mit Dialogen, Podcast, Workshops und Residencies.

Amel Ouaissa ist wissenschaftliche Referentin für Internationales und Diversität in der Stabsstelle für Strategie, Koordination und Internationales der Stiftung Humboldt Forum.

In Beziehungen setzen – für eine Sprache der Vielheit

Ein Teil der Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst ist seit September 2021 auf den Ausstellungsflächen der Staatlichen Museen zu Berlin im Humboldt Forum zu sehen. Der Begriff der „Dekolonisierung“ findet inzwischen auch in Medien und Kultur- sowie Bildungseinrichtungen zunehmend Verwendung. Was genau ist damit gemeint? Wie kann sich Dekolonisierung im Fall des Humboldt Forums materialisieren?

Restitution. Und darüber hinaus? 
Bei der Restitution geraubter und unrechtmäßig erworbener Objekte, zu der sich Bundesregierung und Stiftung Preußischer Kulturbesitz wie im Fall der Benin-Bronzen konkret verpflichtet haben, handelt es sich nur um eine Dimension der „Dekolonisierung“. Diese kristallisiert sich – nicht zuletzt als Resultat langjährigen Engagements nationaler und internatio­naler zivilgesellschaftlicher Akteur*innen – nunmehr als die kulturpolitische Herausforderung unserer Zeit heraus, wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in ihrer Pressemitteilung vom 24. März 2021 betont. 

Zusätzlich und jenseits des zu leistenden Akts der Restitution der geraubten und unrechtmäßig erworbenen Objekte stellt sich uns als Mitarbeiter*innen des Humboldt Forums die Frage, welches die Rolle dieser in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Kulturinstitution in einem dauerhaften Prozess der Dekolonisierung sein kann. Ist sie ein Raum für Ausstellungen und Vermittlung? Ein Raum diskursiver und performativer Veranstaltungen? Eine neue Art von Museum? Mehr als ein Museum – und doch auch ein Museum im herkömmlichen Sinne? Was kann „Forum“ bedeuten? 

Wie auch andere Kulturinstitutionen müssen wir uns der Frage stellen, welche Menschen und kollektiven Erfahrungen im Humboldt Forum nicht den Raum haben, um sich adäquat repräsentiert zu sehen und angesprochen zu fühlen. Die materiellen und immateriellen Privilegien, die im Humboldt Forum zu Tage treten, darin präsentierte Vorstellungen von Ästhetik, Kunst, aber auch von Zentrum und Peripherie, von Wissensformen und Weltzugängen sowie Vorstellungen darüber, welche Geschichten wie als historische Ereignisse und ideale Projektionen dargestellt werden, sind zu einem gewissen Maße immer auch eine Spiegelung gesellschaftlicher Realität und von Machtverhältnissen, und damit per se ausschließend. Ein Humboldt Forum, das sich der Aufarbeitung von Kolonialismus stellen und die Kolonialität der Gegenwart sowie seine eigenen Implikationen darin adressieren und verändern will, braucht die Zivilgesellschaft. (Mit Kolonialität meinen wir all die kolonialen Denk- und Handlungsmuster, die in verschiedenen (Re-)Konfigurationen, kontinuierlich und nachhaltig, die heutigen Realitäten in ehemals kolonisierten und kolonisierenden Gesellschaften strukturieren.) Im Gegenzug braucht die Zivilgesellschaft Kultureinrichtungen, auch solche wie das Humboldt Forum, als Reflektionsraum ihrer…

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