Die Autorin

Henrike Claussen ist Historikerin und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Rechtsthemen in der politischen Bildungsarbeit. Bis Oktober 2023 war sie Gründungsdirektorin der öffentlich-rechtlichen Stiftung Forum Recht.

Mehr denn je!

Noch vor zehn Jahren konnte man den Eindruck haben, der deutsche Rechtsstaat gehöre zu den Exportschlagern der politischen Bildung. Die historische Entwicklung Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg von einem diktatorischen Unterdrückungs- und Gewaltregime hin zu einer gefestigten Demokratie galt als Erfolgsgeschichte, die die Rechtsstaatsförderung in der Außen- und Entwicklungspolitik untermauerte. Denn das Vertrauen der Deutschen in ihr eigenes System erschien nachhaltig verankert und damit ein gutes Beispiel. Die Förderung der expliziten Auseinandersetzung mit Rechtsstaatlichkeit dagegen richtete sich auf diese Weise vorrangig an „die anderen“ und tauchte mehrheitlich in den Bildungsprogrammen staatlicher und nichtstaatlicher deutscher Organisationen im Ausland auf. An die Menschen im eigenen Land gerichtete politische Bildung legte hingegen den Fokus besonders auf die Stärkung des Verständnisses von Demokratie als Herrschafts-, Gesellschafts- und Lebensform. Mittlerweile ist Rechtsstaatsförderung auch im nationalen Kontext ein konstantes Thema. Beispielsweise einigten sich die Parteien der Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 2017 auf einen „Pakt für den Rechtsstaat“, der 2019 schließlich verabschiedet wurde. Das sagt erst einmal nichts per se über die Qualität des Rechtsstaats aus, aber über den Beziehungsstatus, der offenbar komplizierter geworden ist. Die ebenfalls 2019 erfolgte Gründung der Stiftung Forum Recht durch den Deutschen Bundestag ist weiterer Ausdruck dieser Entwicklung. Beim Anliegen der Rechtsstaatsvermittlung spielt die Definition eine wichtige Rolle. Was ist gemeint, wenn von „Vertrauen in den Rechtsstaat“ die Rede ist? Geht es um Vertrauen in politische Entscheidungen, die Zuverlässigkeit der öffentlichen Verwaltung, Fairness und Geschwindigkeit der Justiz oder um das Bekenntnis zu Demokratie und Grundgesetz? Irgendwie geht es um alles. Denn auf Rechtsstaatlichkeit wird in der Öffentlichkeit in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verwiesen. Und selbst gestandene Jurist*innen bekennen hin und wieder, es falle ihnen durchaus schwer, das Gebilde namens „Rechtsstaat“ einem breiten Publikum in wenigen Worten zu erklären.

Demokratiebildung und Rechtsstaatsvermittlung sind Zwillinge

Rechtsstaatsvermittlung ist eine junge Disziplin. Zumindest auf dem Papier, denn de facto greifen viele Angebote der politischen Bildung, auch jene, die unter dem Label „Demokratie“ erfolgreich etabliert sind, schon lange auch Rechtsstaatsthemen auf. Dass Demokratie und Rechtsstaat untrennbar miteinander verbunden sind, daran besteht kein Zweifel. In der Gewaltenteilung führen Legislative, Exekutive und Judikative eine nicht immer leichte, aber auf fester gegenseitiger…

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