Die Autorin

Dr. Doris Liebscher ist Juristin. Sie leitet die Ombudsstelle für das Landesantidiskriminierungsgesetz bei der Landestelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung Berlin.

Mit Recht gegen Rassismus und Antisemitismus

Recht und rassistische Diskriminierung stehen seit jeher in einem ambivalenten Verhältnis. Das Recht war wesentlich an der Legitimierung und Durchsetzung von Rassismus beteiligt, zugleich ist es ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Rassismus. Heute ist Recht gegen Rassismus Teil eines international etablierten Rechtsgebietes, das als Gleichheits- oder Antidiskriminierungsrecht bezeichnet wird und das über strafrechtliche Verbote hinausgeht. Dabei wird auch die Frage verhandelt, was eine Gesellschaft unter Rassismus und Antisemitismus versteht. 


Ein kompliziertes Verhältnis: Vom rassistischen Recht zum Recht gegen Rassismus

Typische Beispiele rassistischen Unrechts sind die Slave Codes im französisch kolonisierten Haiti und in den zunächst britischen Kolonien, dann amerikanischen Staaten Nordamerikas. Nach der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 1865 bis zum Inkrafttreten der Civil-Rights-Gesetze Mitte der 1960er Jahre setzten Segregationsgesetze in den Südstaaten die rassistische Entrechtung fort. Auch die zwischen 1948 und 1990 in Südafrika herrschende Apartheidgesetzgebung verordnete und exekutierte einen Anti-Schwarzen Rassismus. Vorläufer rassistischen Rechts gab es auch im deutschen Fall bereits im kolonialen Recht. Nur Angehörige der kolonisatorischen Nation – im zeitgenössischen rassistischen Vokabular „die weiße Rasse“ – hatten volle Bürgerrechte in den Kolonien des Deutschen Reiches. Die kolonisierte Bevölkerung wurde mit dem diskriminierenden Rechtsstatus „Eingeborene“ versehen, der zumeist im Wege von Verordnungen durch die kolonialen Gouverneure exekutiert wurde. Die in den Kolonien eingeleitete rassistische Rechtsspaltung wurde im nationalsozialistischen Deutschland zum Prinzip allen Rechts. Die Idee einer rassisch reinen Volksgemeinschaft war nicht nur die Grundlage der 1935 auf dem Reichsparteitag der NSDAP verabschiedeten Nürnberger Rassengesetze, als übergesetzliche Norm prägte sie die gesamte Rechtsordnung. Opfer dieses Rasseunrechts waren in erster Linie jüdische Menschen sowie Sinti und Roma. Doch auch Schwarze Menschen und als minderwertige Slawen abgestempelte Migrant*innen aus Osteuropa und der Sowjetunion litten unter dem rassistischen Sonderrecht der Nazis. In all diesen Fällen leisteten Menschen auch Widerstand gegen die Entrechtung – oft mit den Mitteln des Rechts und nicht immer sofort erfolgreich. Revolutionäre auf Haiti beriefen sich auf die Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Der versklavte Afroamerikaner Dred Scott klagte 1857 bis zum US-amerikanischen Supreme Court, um seine Freiheit zu erlangen. Ida Leinhos, Tochter eines Briten und einer Herero, führte 1899 als eine der ersten Frauen in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika eine Scheidungsklage gegen ihren gewalttätigen Mann, einen deutschen Siedler. Jüdische Rechtsanwälte versuchten, die antisemitische Hetze im Stürmer…

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