Der Autor

Prof. Dr. Johannes Varwick lehrt Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Universität Halle-Wittenberg und ist Mitherausgeber von POLITIKUM.

Nur Versicherheitlichung? Militär und „Global Commons“

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 wird die sicherheitspolitische Lage auf absehbare Zeit dominieren. Trotzdem müssen auch andere Veränderungen des Sicherheitsbegriffs in den Blick genommen werden, so etwa die Sicherung bzw. freie Nutzung der so genannten „Global Commons“. Die Architektur des modernen internationalen Systems beruht geradezu auf dem gesicherten Zugang zu und der Stabilität der Commons. Müssen diese notfalls auch militärisch gesichert werden? Eine Bestandsaufnahme des Diskurses.

Der Begriff Global Commons – oder auch Allmende, Gemeinschaftsgüter, Kollektivgüter, globale öffentliche Güter etc. – wird in veschiedenen Wissenschaftsdisziplinen uneinheitlich verwendet. Ursprünglich stammt er aus den Wirtschaftswissenschaften der 1950er Jahre bzw. der Theorie der Öffentlichen Güter des späteren Nobelpreisträgers Paul Samuelson. Eine einfache Definition von Global Commons lautet: Es sind Gebiete oder Güter, die nicht der souveränen Kontrolle oder Jurisdiktion einzelner Staaten unterliegen. Dieser zunächst recht schlichte Befund besagt, dass Gemeingüter wie die Hohe See, der Luft-, Welt- und Informationsraum jenseits von Privatbesitz oder staatlichen Maßnahmen nicht ausreichend gepflegt und erhalten würden, da der Einzelne stets bestrebt sei, für sich selbst einen möglichst großen Ertrag zu erwirtschaften und die damit verbundenen Kosten auf alle abzuwälzen, was dann schlussendlich allen schaden würde, also tragisch ende. Übernutzung sei also das Schicksal einer jeden Ressource, die allen gleichermaßen zur Verfügung stehe. 

Komplizierter wird es, wenn man zwischen natürlichen (also Luft etc.) und geschaffenen Gütern wie z. B. globaler Finanzstabilität oder internationaler Sicherheit unterscheidet. Denn hier stellen sich ungleich komplexere Fragen. 

  • Fragt man etwa nach dem Zugang zum Gut bzw. der Begrenzbarkeit seiner Nutzung, geht es um konfliktträchtige Themen: Inwiefern können Akteure von der Nutzung eines Gutes ausgeschlossen werden bzw. inwiefern bringt das Handeln des Einzelnen externe Effekte für andere mit sich?
  • Fragt man nach der Art und Weise des Konsums von Gemeingütern, geht es noch konkreter um die Frage, inwieweit der Konsum eines Gutes durch den einen Akteur zu einem Verlust an Konsummöglichkeiten bei einem anderen führen kann (Stichwort Nullsummen- oder Positivsummenspiel).

Im sicherheitspolitischen Sinne sind Global Commons herrenlose Gebiete und Ressourcen, die jenseits der direkten und ausschließlichen Kontrolle der Nationalstaaten liegen, die gleichwohl aber für Globalisierung und internationale Ordnung strategisch wichtig sind. Anders formuliert: Die Architektur des modernen internationalen Systems beruht auf dem gesicherten Zugang zu und der Stabilität der Gemeingüter. 

Der sicherheitspolitische Commons-Diskurs unterscheidet…

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